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Die Hebamme von Venedig

Die Hebamme von Venedig

Titel: Die Hebamme von Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberta Rich
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schmeichelhaft und würde sein Geschenk für Hannah sein, wenn er sie wieder in die Arme schloss.
    Gestern hatte er Gertrudis auf dem Platz getroffen, wo er mit einem Händler einen Vertrag durchgegangen war, in dem es um den Verkauf von Schaffellen an einen Kapitän auf dem Weg in die Levante ging.
    Gertrudis saß auf dem Holzstumpf, die Röcke so weit hochgezogen, dass zwei ansehnliche Fesseln sichtbar wurden. Sie wartete, bis Isaak fertig war und die fünf Scudi des Händlers eingesteckt hatte. »So«, sagte sie, »ich werde mich kurz fassen, da ich sehe, dass eine lange Schlange ungeduldiger Kunden auf ihn wartet.« – Das war ein Witz, der Platz lag völlig verlassen da. Der Markt hatte bereits geschlossen, und die Händler saßen in der Taverne und ließen es sich gut gehen. »Das Boot meines Cousins liegt morgen Abend für ihn am Strand. Er ist ein Narr, aber ein ehrlicher, und das mag ich an einem Mann. Ich will seine Ehrlichkeit belohnen.« Sie sprach ohne Groll und klang ganz so, als besprächen sie die Bedingungen eines Vertrags. »Das Boot ist alt, aber seetüchtig. Wenn er das Schiff erreicht, sollte er ihm einen kräftigen Stoß Richtung Küste geben. Die Flut wird es zurück an den Strand tragen, wo mein Cousin es wieder abholt.«
    Ohne ein Boot auf ein Schiff zu gelangen, das draußen vorm Hafen lag, war unmöglich. Isaak war ein guter Schwimmer, aber die Schiffe ankerten außerhalb seiner Reichweite, und wenn sie an der Kaimauer anlegten, war schon gar nicht an sie heranzukommen. Zu viele Schauerleute luden Waren ein und aus: Orangen, Datteln, Wein und Rinde aus Sardinien, Alaun aus Rumänien, Blei und Pilgerkleider. Schwitzende Männer, Tragegurte vor der Stirn, wankten unter enormen Lasten hin und her, gefolgt von angetrunkenen Seeleuten mit Huren im Arm, die den kurzen Aufenthalt im Hafen genossen. Niemand konnte in dieser eingeschworenen Gruppe von Leuten unentdeckt bleiben.
    Isaak war erleichtert gewesen, dass Gertrudis nicht noch einmal auf ihren vieldeutigen Briefauftrag zurückgekommen war. Er hatte sogar befürchtet, sie würde ihr Angebot, ihm das Boot ihres Cousins zu verschaffen, zurückziehen, da er auf ihre Avancen nicht eingegangen war, so verlockend ihre blauen Augen und ihre ebenmäßige helle Haut auch sein mochten.
    Er seufzte und ging weiter auf die Stelle zu, wo das Boot liegen musste. Der Abend war heiß, obwohl die Sonne längst untergegangen war, Schweiß rann ihm den Rücken herunter und zwischen den Hinterbacken entlang. Der Mond hing wie eine riesige Perle über dem Hafen und wirkte seltsam reif und weiblich auf dieser Insel der Musketen, der Schwerter und kampfbereiten Männer. Nicht weit entfernt lag ein Dreimaster, der Flagge am Fockmast nach zu urteilen aus Genua, deren Deck frisch kalfatert worden war. Ein schwacher Geruch von Kiefernharz und Holzspänen wehte zu Isaak herüber.
    Die Möwen, müde von der Hitze, hatten ihr Schreien aufgegeben und hockten auf den Rahen einer türkischen Caramusal, eines Handelsschiffs aus Konstantinopel, und einer Fregatte aus Genua. Auf Erlass des Großmeisters wurde jedes Schiff vor der Abfahrt durchsucht. Dabei stießen seine Männer mit langen eisenbespitzten Stangen in Lücken und Hohlräume, unter Bodenbretter und in unzugängliche Winkel hinter Leitern und Niedergängen. Jeder blinde Passagier, der es an Bord eines Schiffes geschafft hatte, musste sich vorsehen, nicht von einem ihrer Enterhaken erwischt zu werden.
    Weiter draußen, direkt vor dem Eingang zum Hafen, wo die Felsen am höchsten aufragten, sah Isaak die Provveditore an ihrer Ankerkette zurren. Sie war genau das Schiff, das er brauchte. Wenn er sich anstrengte, konnte er die venezianische Flagge erkennen, einen Löwen mit goldenen Flügeln auf rotem Untergrund, die im silbrigen Mondlicht am Fockmast der hochbordigen Galeone flatterte und ihn mit Heimatgefühlen erfüllte. Die Provveditore war eine wuchtige Schönheit, die mit gerafften Segeln ihrer Abfahrt harrte. So hoch und stolz, wie sie auf dem Wasser tronte, konnte sie nicht voll beladen sein, was reichlich Platz im Laderaum für einen Mann bedeutete, der sich nicht vor ein paar Ratten und vorstechenden Enterhaken fürchtete.
    Die Provveditore lag viel zu weit draußen, um zu ihr hinauszuschwimmen, aber wenn er mit Gertrudis’ Boot im Mondlicht hinruderte, würde er an der Ankerkette hochklettern und sich gewandt wie ein Affe über die Reling schwingen können. Dann musste er nur noch an der Wache vorbei,

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