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Die Hebamme von Venedig

Die Hebamme von Venedig

Titel: Die Hebamme von Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberta Rich
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beider Männer, und Isaak hatte Angst, das Holz könnte brechen.
    Bald darauf hörte er eine Frau kichern und eine Stimme »Hallo?« rufen.
    »Das ist sie. Lass uns einen Schluck Wein aufheben. Trink ihn nicht ganz aus.«
    Der, der Luigi hieß, sagte zu seinem Kameraden: »Geh, mach einen Spaziergang.«
    Isaak spürte, wie die Latten des Bootes mit einem erleichterten Knarzen zurückfederten, als sich einer der beiden erhob und davonging.
    »Komm her, meine Süße, und lass mich sehen, was du unter deinem hübschen Kleidchen trägst.«
    Isaak rollte sich unter dem Boot ein und drückte sich die Hände auf die Ohren, während die Hure Luigi immer lautere Lustschreie entlockte. Das Boot erzitterte unter ihren Anstrengungen, und Isaak war so gut wie sicher, dass das Paar gleich schon durch den verrotteten Rumpf auf ihn herunterkrachen würde. Aber wie durch ein Wunder hielt das Holz, und nach lautstarkem Anrufen von Jesus Christus, der Jungfrau Maria und der heiligen Ursula stieß Luigi endlich einen letzten Schrei aus, rollte vom Boot und landete auf dem Sand. Durch die Ritzen zwischen den Latten konnte Isaak den dunklen Strand erkennen, wenn der Mond auch hinter einer Wolke Zuflucht gesucht hatte. Ein Stück den Strand hinunter war das Flackern eines Feuers zu erkennen, und Fischgeruch trieb herüber.
    Der zweite Soldat kam zurück, schlug dem Flittchen auf den Hintern, verkündete laut, dass er jetzt an der Reihe sei, und brachte sie auf dem Boot in Position.
    Heiliger Herr im Himmel, dachte Isaak, die Ungläubigen treiben es wie die Wildkatzen, und schon klangen ihm die Ohren wieder vom Stöhnen und Jauchzen direkt über ihm. Fast kam es ihm vor, als würde der zweite Soldat vom obersten Inquisitor gefoltert und nicht von einer Hure beglückt.
    Da plötzlich splitterte das Holz, und beinahe wäre der Rumpf eingebrochen, aber der Soldat und seine Schöne rollten sich geistesgegenwärtig zur Seite und landeten, immer noch miteinander vereinigt, im Sand. Mit schmatzenden Geräuschen lösten sie sich voneinander und liefen halbnackt und kreischend ins Wasser.
    Isaak hob das Boot an, rollte darunter hervor und wollte davonlaufen, doch da kamen die drei zurück, lachend und eine Flasche hin- und herreichend. Bevor sie ihn entdeckten, gelang es ihm gerade noch, wie eine Krabbe ein Stück den Strand hinunterzukriechen und sich hinter einem vorstehenden Felsen zu verstecken. Dort kauerte er so lange völlig reglos, bis sich sein rechter Wadenmuskel verkrampfte. Er massierte ihn, und sein Bein entspannte sich. Er dachte an Gertrudis und wie befriedigend es wäre, ihr den schönen langen Hals umzudrehen. Aber für derlei Gedanken war jetzt keine Zeit. Seine Wut würde ihm schon erhalten bleiben.
    Isaak sah sich in der Bucht um. Das einzige Boot war das von Gertrudis, dem die Soldaten und ihre Putà mittlerweile wieder den Rücken gekehrt hatten. Die drei spazierten den Strand hinauf Richtung Stadt. Ihm blieb keine Wahl. Er lief zu dem umgedrehten Boot zurück, suchte und fand sein verblichenes Porträt, das gleich daneben halb vergraben im Sand lag, und schlug es an seiner Hose sauber.
    Die Provveditore würde mit dem ersten Licht aufbrechen. Er arbeitete wie im Fieber. Es gab keinen Schutz, kein hilfreiches Dickicht, das ihn vor den Blicken eventueller Passanten oder Patrouillen verborgen hätte, nicht einmal ein paar dürre Pappeln, hinter die er das Boot hätte ziehen können, während er daran arbeitete. Er riss die Leinwand in Streifen, band die losen Latten der Piroge damit zusammen, die jetzt mehr ein Floß als ein Boot war, obwohl er die Öffnungen mit einem Gemisch aus Tang, Rinde und Sand abzudichten versuchte. Stunden brachte er so zu, verklebte, was er konnte, und zog das Boot versuchsweise ins Wasser. Es schien wenig stabil und leckte, sank jedoch nicht. Vielleicht konnte er es tatsächlich damit schaffen. Isaak sah aufs Meer hinaus, wo die hochgebaute Galeone nach wie vor an ihrer Ankerkette lag und sich auf den Wellen wiegte. So nah und doch so fern war sie. Vorn am Bug brannten ein paar Pechfackeln.
    Der Himmel verdunkelte sich, und ein heftiger Wind setzte ein, der den Sand aufwirbelte. Bald schon knirschte es zwischen Isaaks Zähnen, die Wellen schienen so hoch zu wachsen wie die Mauern von Sant Elmo, und der Mond war nirgends mehr zu sehen. In wenigen Stunden brach der Tag an. Sollte er sich mit seinem leckenden Boot aufs Wasser hinauswagen? Die Worte des Philosophen Maimonides erklangen in seinem Kopf: Das

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