Die Hebamme von Venedig
Tochter Gülbahar auf die Welt gebracht.«
»Ihr habt also eine Amme?«
»Natürlich«, sagte Tarsi. »Hatice ist eine tscherkessische Sklavin aus den Bergen. Schlank, aber zäh wie eine Bergkatze.« Tarsi band sich die Enden ihres Schleiers hinter den Kopf, damit der Wind ihn ihr nicht ständig ins Gesicht schlug. Gleichzeitig füllte sich über ihnen eines der großen Segel mit einem dumpfen Schlag.
»Mein Ehemann hat sie mir geschenkt, als meine älteste Tochter geboren wurde.«
»Da habt Ihr Glück«, sagte Hannah. Niemand im Ghetto konnte sich Sklaven leisten, und dort trug auch niemand Juwelen von der Größe und Vollkommenheit, wie sie Tarsi schmückten.
»Euch bleibt nicht viel Zeit.« Tarsi sah sich unter den Passagieren an der Reling um. Sie deutete auf einen beleibten Mann von etwa fünfzig Jahren, der ein paar Meter entfernt stand und mit einem hustenden alten Armenier sprach. Der alte Mann spuckte Schleim in ein Taschentuch. »Der Sultan hat meinen Mann zum Statthalter der Provinz Üsküdar gemacht, und ich muss ihn auf dieser Reise begleiten, zusammen mit meinen Töchtern.«
Hannah sah, dass Tarsi sich die dunklen Brauen zu Halbmonden gezupft und die Lider mit feinen Kohlestrichen umrandet hatte, was sehr anziehend wirkte. Sie fasste sich ein Herz.
»Ob Eure Amme vielleicht helfen könnte?«, fragte sie.
»Ich bin voller Mitgefühl, versteht mich nicht falsch«, sagte Tarsi, »aber meine Gülbahar hat einen riesigen Appetit. Wenn Hatice zwei Babys stillen müsste, gerieten beide in Gefahr.«
Was konnte Hannah dieser seidengewandeten Frau, die einen Rubin groß wie ein Taubenei um den Hals trug, anbieten? In diesem Moment hob sich das Schiff unerwartet, und Hannah fiel gegen Tarsi, die sie fasste und festhielt. Hannah fürchtete, jeden Moment in Tränen ausbrechen zu müssen. Ihr blieb keine Wahl. Sie bettelte die Frau vor sich an.
»Bitte! Ich flehe Euch an! Ich kann doch nicht einfach zusehen, wie mein Sohn stirbt.«
»Für Euer Baby kann niemand etwas tun. Ihr werdet mehr Kinder bekommen. Jedes Mal, wenn Ahmet und ich zusammenliegen, kommt wie durch ein Wunder ein paar Monate später ein weiteres Baby.« Sie tätschelte Hannahs Arm. »So hat es Allah eingerichtet. Ich für meinen Teil hätte es gern anders.«
»In welcher Weise anders?«, fragte Hannah.
Tarsi beugte sich näher zu Hannah hin und senkte die Stimme. »Ich hoffe, nicht wieder dick zu werden. Meine Niederkünfte sind schwierig. Monatelang muss ich mich übergeben, fühle mich schwach und leide unter Schlaflosigkeit. Dann die Schmerzen der Geburt und die Blutungen. Meine Hebamme sagt, sie fürchtet, sie wird sie beim nächsten Mal nicht mehr stillen können. Wer wird sich dann um meine Mädchen kümmern? Wer wird dafür Sorge tragen, dass sie die richtigen Ehemänner finden, wenn ich nicht mehr bin?«
Hannah sah Matteo an und zog seine Decke zurecht. Vielleicht hatte sie doch etwas, das sie dieser Frau anbieten konnte, dachte sie. Im Ghetto nannten die Frauen den Coitus interruptus »drinnen ernten, draußen dreschen«. Es war eine unsichere Technik. Und die speziell gefertigte goldene Kugel, die in die weibliche Scham eingeführt wurde und die Gebärmutter verschloss? So etwas war unmöglich auf der Balbiana zu bekommen. Mit Guajak-Tee spülen? Das war auf dieser stampfenden, rollenden Galeone kaum denkbar. Dann gab es noch die Enthaltsamkeit. Hannah warf einen Blick auf Tarsis Ehemann, der sich immer noch mit dem alten Armenier unterhielt. Kein Mann will sich die Freuden des Ehebetts verweigern lassen, besonders nicht einer mit so fleischiger Unterlippe und solch einer Ausbuchtung, wo sich die Beine trafen.
Eine Welle so hoch wie die Säulen von San Marco traf das Schiff, und Hannah spritzte Gischt ins Gesicht. Sie wankte, fiel auf die Knie und hätte beinahe Matteo fallen lassen. Während sie sich mit dem Ärmel trockenwischte, beschloss sie, das Risiko einzugehen, dieser Frau verbotenes Wissen anzubieten.
»Ich bin Hebamme. Ich kenne viele Möglichkeiten, die Empfängnis zu unterstützen, von Bockshornkleeeinläufen bis zur Einnahme gemahlener Weinrautenfrüchte.« Sie selbst hatte die meisten davon probiert. »Aber ich weiß auch, wie sich die Empfängnis verhindern lässt.«
Tarsi sah sie an und sagte leise: »Wenn Ihr ein Mittel habt, zahle ich Euch, was immer Ihr wollt.« Sie fuhr sich mit der Hand an ihr Rubinhalsband. »Ihr könnt meinen Schmuck haben, wenn Ihr wollt.«
In Hannahs Stofftasche waren Kräuter, um
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