Die Hebamme
denn nicht etwas Wahres daran?«
Elgin schwieg einen Moment lang.
»Ich sollte nun Bettina sehen«, wiederholte sie dann.
»Warum haben Sie mir davon erzählt?«
»Haben Sie mich nicht danach gefragt?«
An der Treppe, die zu den Gesindekammern unter dem Dach führte, blieb Malvine zurück.
»Ich vertraue Ihnen«, sagte sie.
Oben fand Elgin das Dienstmädchen auf dem Bett zusammengerollt, mit dem Gesicht zur Wand. Bettina drehte sich um, sobald Elgin ihre Schulter berührte.
»Es hört auf«, flüsterte sie. »Jetzt hört es auf.«
Sie ließ sich bereitwillig untersuchen, und Elgin sah bestätigt, was das Mädchen ihr sagte.
»Weißt du, warum man mich hat holen lassen?«
»Wenn es mit dem zu tun hat, was Götze plötzlich von mir denken muss …« Sie griff nach Elgins Hand. »Es ist alles meine Schuld, ich weiß es ja, Gottschalkin, wenn ich nicht zu viel davon …«
»Schscht … Bettina«, sagte Elgin leise. Ohne sie loszulassen, setzte sie sich auf die Kante der zweiten Bettstelle, die der anderen in der beengten Kammer dicht gegenüberstand. »Hast du irgendjemandem etwas gesagt, oder auch nur eine Andeutung gemacht?«
»Nein, nein. Nichts habe ich gesagt«, wisperte das Mädchen. »Nichts, das müssen Sie mir glauben. Das ist eine schlimme Sache, wenn man nichts erklären kann, dann fangen die Leute an, sich selber was zu denken. Und Rena, die hat sich auch was gedacht, als sie das Blut gesehen hat. Aber ich musste doch wieder zurück, ich konnte nicht länger bei Ihnen bleiben, sonst hätte ich meine Anstellung verloren. Rena hat was zu Götze gesagt, und dann hat er auch angefangen, zu fragen und was zu denken … und dann fragte mich die Frau Rat …« Das Mädchen weinte in Elgins Hand. »Heilige Mutter Gottes … wenn sie von dieser Schande wüssten …«
»Still, Bettina, still. Du siehst, die Blutungen haben ein Ende. Das ist vorbei, bis zu deiner nächsten, gesunden Reinigung. Für deinen Körper ist es vorbei, Bettina. Aber was ist mit dir?« Sie strich ihr über die Stirn. »Hiermit? Und mit deinem Herzen? Wirst du es schaffen?«
Bettina richtete sich auf und setzte die Füße auf den Boden.
»Ich will es, und ich kann es. Götze würde es nicht ertragen. Er ist alles, was ich habe. Ich brauchte nur etwas Zeit.«
»Gut«, sagte Elgin, »denn ich fürchte, mehr bleibt dir nicht.«
»Und was … was werden Sie der Frau Rat sagen?«
Elgin öffnete ihre Tasche und entnahm ihr ein schmales Lederetui.
»Dass es aufgrund eines beschwerten Gemüts zu einem Ungleichgewicht deiner körperlichen Säfte gekommen ist, was zu heftiger Blutausleerung durch dein Monatliches führte. Dass ich dich – trotz einer festgestellten Besserung – zur Ader gelassen habe, wofür du mir jetzt deinen linken Arm freimachst.«
Malvine Homberg bekam zwei Unzen Blut ihres Lieblingsdienstmädchens zu sehen und hörte eine schlüssige Erklärung. Es würde ihr erlauben, dem Richter mitzuteilen, dass es seine Ordnung hatte mit Bettina. Mehr verlangte sie nicht.
»Warum setzen Sie sich für diese Schülerin ein?«
Clemens war mit Professor Kilian im Auditorium zu einer Unterredung zurückgeblieben, nachdem die Studenten das Haus längst verlassen hatten. Im Unterricht war den angehenden Ärzten bei der Untersuchung einer frisch Entbundenen demonstriert worden, was eine überhastete Geburt in stehender Position anrichten konnte und wie die durch mangelhaften Schutz der Geburtsteile entstandene Wunde chirurgisch zu versorgen war.
Professor Kilian versah die gebogene Nadel mit einem kleinen Korkenstück und legte sie zurück in einen mit Samt ausgeschlagenen Kasten zu den Operationsmessern.
»In dem, was ich gehört habe, kann ich ein Fehlverhalten der Schülerin nicht erkennen. Es ging eine überstürzte Geburt vonstatten …«
»… die allenfalls von der Haushebamme zu leiten gewesen wäre.«
»Ich bin sicher, Herr Professor, auch Ihnen kann nicht verborgen geblieben sein, dass Frau Textor nicht eben das Vertrauen der Schwangeren genießt. Es wäre von Vorteil, wenn wir sie baldigst durch eine umsichtigere Person ersetzen würden.«
Clemens lehnte vor einem der hohen Fenster des Auditoriums und sah Kilian zu, wie er den Kasten mit dem Operationsbesteck im Medikamentenschrank verschloss.
»Dieses Vertrauensverhältnis, das Ihnen so erstrebenswert erscheint …«, sagte der Professor, während er sich zu ihm umwandte, »… wenn es unter den Weibsbildern dazu führt, den ohnehin in ärgerlichem Maße
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