Die Hebamme
schimmernd mit der ihres Kleides traf, hob die silberne Teekanne an und setzte sie wieder ab. Beide Frauen hatten ihre Tassen bislang nicht angerührt.
»Der Verdacht, von dem ich gerade sprach …«, fuhr sie fort, »… Sie verstehen, was ich damit meine? Ich fand es abwegig, ja fast, muss ich sagen, führte es zum Streit mit Homberg darüber. Vielleicht kommt es von all diesen Dingen, die er durch Professor Kilian erfährt … Ach, da fällt mir ein, hat er das Gespräch mit Ihnen gesucht – Kilian, meine ich?«
»Ja, und ich hörte, wie sehr Sie sich für mich verwendeten …«, Elgin nahm einen Schluck kalten Tee, »… wofür ich Ihnen danke. Es hat mich …«
»Und«, unterbrach Malvine sie, »wie haben Sie sich entschieden?«
»Nun, zunächst fiel es mir nicht ganz leicht und letztlich dann doch … Ich entschied mich, den Frauen Marburgs weiterhin uneingeschränkt zur Verfügung zu stehen, und zudem arbeite ich an einem Buch …«
»Ein Gewinn für uns, ein Verlust für die Wissenschaft«, sagte Malvine leichthin. »Als schamlose Egoistin bin ich froh darüber. Aber ein wenig schade ist es schon. Es war ein so hübscher Gedanke, Sie als Dozentin an einem Institut der Universität zu wissen. Ich bin mir sicher, dass die Herren Studenten einiges von Ihnen hätten lernen können, wenn auch widerstrebend möglicherweise, doch das hätte auch einen gewissen Reiz ausmachen können.« Erneut runzelte sie die Stirn. »Doch wie kamen wir jetzt darauf?«
»Professor Kilian. Sie meinten...«
»Ja richtig. Diese Frauen dort in dem Haus … Wissen Sie, ich schätze – ganz wie Homberg übrigens – das Engagement des Professors. Warum sollen sie doppelt und dreifach für das bezahlen müssen, was ihnen zum Verhängnis wurde? Allein vom Nachdenken darüber wird man schon trübe. Fraglos ist der Professor ein Kauz, aber sein Anliegen …«
»Er hat es mir ausführlich erläutert, Frau Rat.«
Malvines Hände flatterten in einer unwirschen Geste auf.
»Ach, diese Personen und ihre Geschichten. Homberg mit seinen Schlussfolgerungen. Götze mit seinem Schwur. Guter Gott! Wie gesagt, ich glaubte nie an eine sittliche Verfehlung des Mädchens. Und doch, wenn ich sie mit den Kindern sah – jede Heiterkeit ist ihr abhanden gekommen. Dabei habe ich keineswegs vergessen, dass eine ihrer Schwestern im Kindbett gestorben ist – kurz nach der Mutter. Da leuchtet mir ein, dass der Anblick einer gesunden, fröhlichen Familie sie bekümmern muss. Und doch, Gottschalkin – mir wäre wohler, wenn ich meinem Gatten versichern könnte, welche Ursachen es für Bettinas Verfassung gibt. Das viele Blut …« Sie senkte die Stimme: »Rena, mit der sie die Kammer teilt, berichtete mir angstvoll davon. Ist es denn möglich, dass ein Körper Tränen vergießen kann, auf eine andere, schmerzhafte Weise?«
»Vielleicht«, sagte Elgin vorsichtig. »Vielleicht treffen Ihre Worte recht gut, was in Bettina vorgeht.« Sie erhob sich. »Umso wichtiger wäre es mir, sie jetzt zu untersuchen.«
»Gottschalkin, ich weiß, es ist … drastisch, um was ich Sie jetzt bitte.« Malvine stand ebenfalls auf und betrachtete für einen Moment ihre zierliche Schuhspitze, mit der sie eine Welle in den Mustern des Teppichs glättete.
»Doch mir ist auch bekannt, dass man eine Hebamme zur Feststellung der … nun … der geschlechtlichen Unversehrtheit beauftragen kann …«
Sie sah Elgin an, und diese fand es richtig, ein kurzes Lächeln anzubringen, Malvine Gelassenheit zu zeigen, die sie keineswegs empfand.
»Es ist einige Jahre her«, sagte sie, »da berief man mich einmal als Gutachterin zu Gericht. Ich sollte anmerken, dass dies vor der Zeit Ihres Gatten als Richter war. Es ging um ein Notzuchtverbrechen. Dem Gericht war suspekt, dass die junge Frau sich so widersprüchlich zu dem Geschehen äußerte, dass sie nicht genau und in immer den gleichen Worten den Hergang des Verbrechens an ihr beschreiben konnte. Ich hatte nicht nur ein zerstörtes Hymen festzustellen, sondern auch …«
»Verschonen Sie mich mit Einzelheiten, Gottschalkin, es macht mich krank, davon zu hören«, Malvine führte eine Hand vor den Mund, als sei ihr tatsächlich übel, doch dann fragte sie: »Wie ging es aus für das arme Geschöpf?«
»Man glaubte ihr nicht. Sie war nämlich schwanger. Das Gericht berief sich auf die Aussage eines gerichtlichen Mediziners, dass Angst, Ekel und Scham eine Empfängnis unmöglich machte, und sprach den Beklagten frei …«
»Und ist
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