Die Hebamme
mit seiner anbetungswürdigen Luise bei ihrem Besuch der Stadt zu sehen, beharrten darauf, eine Ähnlichkeit Thereses mit der preußischen Prinzessin festzustellen.
Lambert Fessler – in weißen Pantalons, schwarz glänzenden Stiefeln und Frack von gleichsam begeisternder Erscheinung – hatte die Bewunderung für seine Gattin wohl durchaus genossen, denn er verharrte eine Weile mit ihr auf der obersten Treppenstufe der Kirche. Fast hatte es ausgesehen, als wollte er in jedem Einzelnen der ihnen zugewandten Gesichter die Freude ablesen, bevor er seine Frau zu der blumengeschmückten Kutsche führte.
Die Feierlichkeiten beging man standesgemäß im Rathaus. An den großen Festtafeln in einem der Ratssäle wurden die Gaumen des Hochzeitspaares und seiner Gäste mit einer ausgesuchten Speisenfolge verwöhnt, über die sich die Schwiegermütter tagelang die Köpfe zerbrochen hatten. Schließlich bot Malvine Homberg ihre Köchin an, was man dankbar annahm. Für den großen Tag führte diese nun das Regiment in der Rathausküche, brachte die Gesellschaft in den Genuss von Pastetchen auf spanische sowie Rinderrücken auf venezianische Art, begeisterte sie mit gefüllten Waldvögeln in Rosinensauce und ließ zum Dessert Weinbeer-, Birnen- und Zimttorten auftragen.
Lambert leerte ein weiteres Glas Wein, von denen er schon einige geleert hatte – während der Reden, die gehalten, und der Brautverse, die vortragen wurden. Letztere hatten Therese in Verlegenheit und die anderen in launiges Gelächter versetzt, denn die Verse brachten nichts anderes als die Fruchtbarkeit des Ehestandes zur Sprache.
Das Gefunkel im Saal strengte Lambert an. Zu viel Gefunkel, empfand er. Es hob sich von den dunklen Vertäfelungen des Saales ab – kam von Kerzenleuchtern, vom Silber und Kristall auf dem Damast, von den Goldknöpfen an den Livreen der gemieteten Diener, vom Ring an seiner Hand. Er musste ihn immer weiter betrachten, noch während er das Glas absetzte.
Möglicherweise half Lambert die nicht unbeträchtliche Menge geistiger Getränke, um Frieden damit zu schließen, dass die Trauungszeremonie Eindruck auf ihn gemacht, ja ihn berührt hatte. Mein Herz ist bereit. Die Worte waren wie eine Beschwörung auf ihn eingedrungen, als er sich Therese vor dem Altar zugewandt hatte, sein Versprechen gab und ihr den Ring ansteckte, als er ihre Erwartung sah, und alles vor sich sah, dem er von nun an täglich begegnen sollte. Ich singe und lobe … denn deine Güte reicht so weit … Wer wusste denn, ob es ihm nicht doch möglich sein sollte, zu erfüllen, was er ihr versprochen hatte? Eine Ehe führen, sie lieben? Mit ihr leben im Haus seiner Eltern, mit Caroline, die als ständige Beobachterin und – wie zu befürchten stand – Kommentatorin ihres Glücks anwesend sein würde?
In der Kirche, als er in Thereses Gesicht die Sehnsucht gesehen hatte, war die Frage in ihm aufgekommen, ob es so für Elgin gewesen sein musste, wenn sie ihn angesehen hatte. War es so für dich, fragte er, wie jetzt für mich? Konntest du es nicht ertragen, meine Sehnsucht vor dir zu sehen und zu wissen, dass du sie nie erfüllen würdest? Hattest du Mitleid mit mir, so wie ich jetzt mit Therese?
Was ihn blendete, dachte Lambert, war nicht das Funkeln von Gegenständen im Rathaussaal, sondern die Erwartung von allen Seiten. Sie kam von Therese neben ihm, von den Brauteltern und Gästen, von seiner Mutter. Caroline mit ihrem Stolz, ihren sich erfüllenden Träumen von einer neuen Bedeutung in ihrem Leben. Wünsche. So viele Wünsche waren um ihn. War er nun auserwählt, sie zu erfüllen? Sollte dies eine Aufgabe sein, deren Reiz es zu entdecken galt? Wurde von ihm nun verlangt, was er von Elgin eingefordert hatte?
Öffne mir dein Herz, hatte er gesagt.
Mein Herz ist bereit. Wenn es doch aber eine Lüge war. So weit der Himmel ist.
Zu späterer Stunde wurden im größten Saal bereits Menuette und Polonaisen getanzt, als Malvine ihre Freundin in eine der Sitznischen bei den hohen Fenstern zog.
»Schau nur, Therese«, sagte sie, während sich die Tanzenden vor dem kleinen Streichorchester neu formierten, »deine Hochzeit, dein Fest – es hat Stil, ich bin ganz hingerissen. Da soll noch mal jemand sagen, Marburg sei provinziell. Ich finde durchaus, man könnte von hier für das Journal des Luxus und der Moden einen lobenden Bericht verfassen.«
Sie winkte einen Diener heran und ließ Champagner bringen. Sie zupfte an einer Stirnlocke Thereses und
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