Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
Vom Netzwerk:
gelangen.
    „Sie kommen! Sie kommen!“, krähte das Tier, kobolzte nervös auf ihrem Kopf hin und her.
    „Wer kommt?“
    Lange brauchte sie nicht zu überlegen. Schon durchschlugen erste Steine das Kammerfenster, dessen Scheiben in alle Richtungen zersplitterten. Schergen mit lodernden Fackeln kesselten das Haus ein. Rubinas verwittertes Spitzgiebelhaus. Die Fassade, von tiefen Furchen und Rissen genarbt, ähnelte dem Gesicht der Eigentümerin. Bisher hatten beide jeglichem Sturm getrotzt, denn die Fundamente waren stabil, hatten Beschuss, gleich welcher Art, erfolgreich abgewehrt.
    Diesmal gab es kein Entkommen. Es waren zu viele. Viel zu viele, die heranstürmten. Dorfbewohner begleiteten die Soldaten, hatten sich, mit Messern, Äxten und Steinschleudern bewaffnet, auf den Weg gemacht, Grenadiere sogar mit Musketen.
    Keiner wollte versäumen, einen Blick der Hexe zu erhaschen, wenn sie in eisernen Ketten an ihnen vorbeigeführt werden würde.
    An den Türklinken rüttelte es. Mauern bogen sich unter groben Stiefeltritten. Schüsse dröhnten. Ziegel barsten. Glas knirschte. Pavor kreischte: „Raus hier! Raus hier! Freiheit!“ Pries die Flüge durch luftige Höhen.
    „Gibt keine Freiheit. Keine Freiheit mehr für mich, kleiner Pavor, mein treuer Gefährte“, sagte Rubina ruhig. „Aber du flieg davon. Künde, was mir geschieht. Erzähl’s der Fürstin und auch meinem Stamme.“
    Rasch öffnete sie das einzige Fenster, das die Meute noch nicht erspäht hatte. Pavor krallte sich in ihren Locken fest. „Komm mit, Rubina. Komm, und schweb mit mir in die Freiheit!“
    Die Wehmutter schälte ihn behutsam zwischen dem Haargespinst hervor, setzte ihn auf ihre Hand, kraulte ihm ein letztes Mal das Gefieder. „Flieh jetzt, mein Freund. Auch ich werde bald fliegen. Aber höher und weiter und schneller. Auf meerweichen Wolkenwogen zu den Sternen hinauf, am Mond vorbei und dann durchs Weltentor direkt in den Himmel hinein. Dorthin kannst du mir leider nicht folgen.“ Sie versetzte ihm einen sachten Stoß, und er segelte davon. Rubina blieb allein zurück, wartete geduldig auf ihre Verfolger.
    Bleich war sie. So bleich wie ihr weiß getünchtes Narbenhaus, das sich schutzsuchend unter die krüppeligen Äste der Kastanie duckte. Aber Schutz gab es nicht. Und Hilfe erst recht nicht. Da kramte die kleine Frau das Tütchen aus der Kitteltasche. Jenes Tütchen, das sie immer am Leib trug. Für den Ernstfall. Wenn alle Stricke rissen, was jetzt offensichtlich der Fall war. Höchste Zeit für Rubina, denn der Radau steigerte sich ins Unerträgliche.
    Wie die Finger zitterten, als sie das weiße Pulver in den Krug mit Kräuterwein rieseln ließ. Wie die Lippen bebten beim Giftgebräu. Die Kehle krampfte, mochte nicht schlucken. Musste doch. Das Röcheln klang grässlich, und der Schmerz war so groß, wollte nicht weichen, nicht schwinden, nicht enden.
    Als die ersten Balken, von den Hieben der Beile getroffen, einstürzten, wand sich Rubina bereits am Boden. Mit Schaum vor dem Mund und den Bildern, den grausigen Bildern der Leichen im Kopf, in den letzten Minuten auf Erden.
    „Holt sie raus, die Verfluchte!“
    „Schlagt sie tot!“
    „Reißt ihr das Herz aus der Brust!“
    „Auf den Scheiterhaufen mit der Kanaille!“
    Der Mob schrie nach Rache. Die Horde brach ein, stampfte nieder die Türen und Fenster. Keine Wand blieb mehr heil.
    Und sie wimmerte, die alte Kräuterheilerin. Weder Gnade gab es, noch Erbarmen.
    Breitbeinig stand der Greifsburger vor ihr. Mit sichtlicher Genugtuung verlas er das Protokoll:
    „Rubina , dir wird zur Last gelegt, deine drei Ehemänner, fünf Frauen im Kindbett und siebzehn Neugeborene auf heimtückische Weise mit dem Gift des Schierlings ermordet zu haben. Dazu kommen unzählige Abtreibungen sowie Diebstähle in den Häusern der Betroffenen. Außerdem Bereicherung durch die dir hinterlassenen Vermögen deiner wohlhabenden Gatten. Darum hat uns Seine Majestät Alois Kaspar Alfons, Graf von Grimmshagen zur Osten, beauftragt, dich tot oder lebendig auf sein Schloss zu schaffen, damit du deiner gerechten Strafe als Hexe, durch das Feuer des Scheiterhaufens, zugeführt werden kannst. Hast du etwas als Verteidigung gegen die vorgebrachten Anschuldigungen zu erwidern?“
    Er grinste schief, entblößte den zahnlosen Kiefer.
    „Was soll sie dir noch sagen? Weilt eh nicht mehr lange hier. Ist im Begriff, die Reise ins Jenseits anzutreten.“ Richard Sander bewachte mit Argusaugen das Szenario. Er

Weitere Kostenlose Bücher