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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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darüber getuschelt, als sie vorbeiging. Ich konnte es genau hören. Sag mir ehrlich, Onkel Richard, ob etwas an dem Gerede dran ist. Ich will es wissen, bin schließlich ihre Tochter“, flehte Isabella.
    „Du hast gar nichts zu wollen, ungezogenes Gör“, brummte Richard, „wo ist sie denn hingegangen?“
    „In ihr Hexenhaus“, antwortete das Mädel trotzig.
    „So, so. Dann scher dich jetzt zu deinen Pflegeeltern. Sie werden sich schon um dich sorgen. Du hast hier nichts mehr verloren. Wie ich deinen Ziehv ater kenne, wird er die siebenschwänzige Katze auf deinem Rücken tanzen lassen. Na, meinen Segen hat er. Und nun sieh zu, dass du Land gewinnst. Sonst setzt es von mir ebenfalls noch eine Maulschelle.“
    Er gab ihr einen leichten Schubs.
    Weshalb bemerkte Isabella nicht früher, dass Richard Sander in Begleitung war? Die fahle Dunstwand hatte die unheimlichen Gestalten vor ihren Augen verborgen gehalten. Im Halbkreis hockten sie um die Kleine herum. Große, schwarze Silhouetten, wie Geier mit hochgezogenen Schultern und ausgefahrenen Krallen. Sie knurrten und knackten mit irgendwelchen Gliedmaßen. Oder Waffen? Unruhig begannen sie, den Ring enger zu schließen.
    „Schergen! Soldaten! Hexenjäger!“, kreischte Isabella entsetzt und stürmte in die weiße Nacht hinein.   
     
     
    5
     
    Die Alte fand den Weg nach Haus ohne einen Funken Licht. Mit schlafwandlerischem Erfahrungswert tastete sie sich voran. Streifte ein Ast ihren Kopf, schmunzelte sie.
    „Guten Abend, mein Freund. Willst du mich begrüßen oder warnen?“ Das Getrampel schwerer Stiefel in der Ferne ließ eher auf Letzteres schließen. 
    Daheim angekommen, verriegelte sie Fenster und Türen, stemmte Schränke dagegen, schob Tische und Kommoden davor. Vom langen Weg und dem Möbelrücken war sie durstig geworden. Gierig schlürfte sie aus einem Becher den selbst vergorenen Kräuterwein, schüttete zum zweiten und dritten Mal aus der Karaffe nach. Glitschig rann der Fusel die Gurgel hinunter. Aaah, das tat gut. Nach dem vierten Krug war nicht nur die Nacht draußen von dichtem Nebel erfüllt, sondern auch ihr Hirn. Weitere Humpen voll bitteren Weins folgten. Endlich wich die Furcht, machte einem Gefühl von Gleichgültigkeit Platz.
    Da sank das schwergewichtige Kräuterweib in den geflochtenen Korbsessel, legte die geschwollenen Füße auf einen Schemel und faltete die Hände im Schoß. Müde war es, und des Lebens überdrüssig. Sollen sie doch kommen, die Häscher des Grafen. Die können mir nichts anhaben, denn der Tod ist mein Freund, dachte Rubina und wiegte versonnen ihr Haupt.
    All die vielen Gesichter der Toten tauchten auf, tauchten ab. Gestalten , denen sie nicht den Tod gebracht, wohl aber ihre Hilfe verweigert hatte, und die sie nun mit verzerrten Fratzen anstierten.
    Reue verspürte Rubina nicht. Hatte sie doch nur Gere chtigkeit walten lassen. 
    „Nicht einer von euch war unschuldig!“, rief sie den höhnisch grinsenden Feinden entgegen. „Ihr habt mir das Leben verdammt schwer gemacht. Verleumdet, verraten hat jeder Einzelne eurer Geisterschar mich. Mein Vertrauen mit Füßen getreten. Habt keine Heilung von mir bekommen, weil ihr sie nicht verdientet. Von mir, der Hebamme, die gut genug war, neue Bälger auf die Welt zu holen. Von mir, dem verachteten Kräuterweib, das gerufen wurde, wenn ihr, einer eurer Verwandten oder das Vieh zu verrecken drohte. Dann, ja, dann war Rubina die Beste, wurde umschmeichelt und mit fetten Würsten und Schinken belohnt. Kaum hatten meine heilenden Salben und Säfte euch wieder gesunden lassen, habt ihr erneut gehetzt und mich verfolgt. Das war der Dank!“
    Ru bina hatte sich heiser geschrien bei ihrem Monolog, klappte wie eine zuschanden gerittene Mähre zusammen, streckte alle viere von sich. Die Verstorbenen dachten nicht daran, zu weichen, tanzten Ringelreihen um sie herum, drehten ihr eine lange Nase.
    „Schert euch zum Teufel, wo ihr hingehört. Schmort in der Hölle, verdammtes Gesindel!“
    „Da wirst du auch bald braten, Hexe. Auf baldiges Wiedersehen.“
    Vor Schreck goss Rubina sich mit klappernden Händen einen weiteren Becher des hochprozentigen Weins ein. Und noch einen und noch einen. Die Gespenster verschwanden, als sie das Getränk in hohem Bogen der Luft übergab und in der Gegend versprühte. Ihr Magen rebellierte. Ohnmächtig brach sie zusammen.  
    Der Schrei des Raben weckte sie auf. „Was gibt’s, Pavor?“, lallte Rubina und bemühte sich, auf die Füße zu

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