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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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hätte nicht gedacht, dass ihn die Todespein Rubinas so aufwühlen könnte. „Lüneburger Hüne“ wurde der Hauptmann aus dem Heer Christians von Braunschweig-Wolfenbüttel und Halberstadt ehrfürchtig genannt. Der Kerl schien ein Jötunn zu sein, mit Beinen gleich Säulen und Armen wie Stahl. Die Faust glich einem Granitstein. Und wen diese Faust traf, der zappelte nicht mehr. Hart war er, der Richard. Durch und durch Niedersachse aus echtem Schrot und Korn, sturmfest und erdverwachsen.
    Stumpf strotzte sein Haarkranz, stumpf auch der Graubart und stumpf wie der Goldreif am Finger sein Herz. Früher einmal hatte es gebrannt in leidenschaftlicher Glut, sanft  seine Pranken Rubinas Purpurhaar gestreichelt, ihre Haut geküsst, die so schier war und glatt. „Feinsliebchen“ hatte er sie genannt, ihr den Ring angesteckt. Und sie ihm den seinen, den er immer noch als Liebespfand trug.
    Als er endlich aus dem Traum von ewiger Treue erwachte, weil Rubina sich einen neuen Bettgespielen gesucht hatte, war es für Richard Sander zu spät gewesen, stand doch sein Inneres lichterloh in Flammen. Sterben hatte er wollen, da ihm ein Leben ohne Rubina sinnlos und leer erschienen war. Jahrelang hatte er in einer Heidehöhle vor sich hinvegetiert. War beim Vorüberstreifen jeglicher menschlichen Gestalt an seinem durch wucherndes Heidekraut, Gestrüpp und verwachsenen Wacholder getarnten Bau, tief in die hinterste Ecke gekrochen. Hatte wie ein Tier gelitten.   
    Die Zeit verschloss seine Wunden, heilte sie nie. Dennoch war Sander dem Ruf des Grafen von Grimmshagen gefolgt, die Kräuterhexe auf dessen Schloss zu schaffen. Glaubte, der Stein, der mittlerweile statt seines Herzens in der Brust des Kämpfers ruhte, könnte den Anblick ertragen. Dem war nicht so.
    Wütend versperrte er Harras Bertram den Weg. Der wollte Vergeltung für sein Weib, dem Rubina im Winter das Lebenslicht ausgeblasen und ihn mit dem ständig schreienden Säugling zurückgelassen hatte, nicht ohne den gesamten Familienschmuck mitgehen zu lassen.
    „Sie lebt ja noch, das Aas!“, brüllte der schwarze Harras, ebenfalls Soldat beim tollen Christian, wie der Braunschweiger im Volksmund hieß. Er war immer an vorderster Front, ganz egal, wo und wann. Im Krieg und in der Liebe fand der Scherge alles erlaubt, hatte manches Mädchen geschändet, waren auch Jungfrauen dabei gewesen. Feinde erschlug er mit der blanken Faust und lachte roh bei deren Flehen um ihr Leben. Wenn der Schlächter auftauchte, störte ihn kein fremdes Leid. Doch im Selbstmitleid drohte er nun zu versinken.
    Mit brutaler Gewalt quetschte er sich zwischen Richard und Rubina, trat der Sterbenden in Rippen und Bauch. Wie das krachte und knirschte. Wie sie barsten, die morschen Gedärme.
    Bevor Sander den schwarzen Harras am Genick packen und fortzerren konnte, warf sich ein zierliches Mädchen über die Alte, fauchte wie eine Furie, biss und kratzte den Rächer in Hände und Gesicht, sodass er verdutzt von seinem Opfer abließ.
    „Mutter “, schluchzte Isabella, die unbemerkt die Kammer betreten und das Bild des Schreckens gesehen hatte, „Mütterlein. Liebstes, bestes Mütterlein. Das wollte ich nicht. Nein, Mutter, das wollte ich nicht. Verzeih mir. Ach bitte, bitte, verzeih mir. Stirb nicht. Lass mich nicht allein. Ich hab dich doch so lieb.“ Verzweifelt schlang sie ihre Arme um Rubinas geschundenen Leib, bedeckte sie mit ihren Küssen.
    Es war, als hätte die Mutter nur auf diesen Abschied gewartet, als hätte sie nicht die Augen für immer schließen können, ohne sich mit ihrer Tochter ausgesöhnt zu haben. Ihr schmerzverzerrtes Gesicht entspannte sich, wirkte plötzlich ganz ruhig und gelöst, ja, von Glück und Seligkeit umhüllt.
    Das Atmen fiel ihr schwer, doch mit letzter Kraft röchelte sie: „Mein Kind … Mein Ein und Alles … Danke, dass du gekommen bist … Wusste es, spürte es tief im Innersten … Nun kann ich in Frieden gehen.“ Sie lächelte, hob den rechten Arm an, strich ihrer Tochter zärtlich die Tränen aus dem Gesicht. „Deine Augen regnen Meerwasser, salzig und rau … Sollst nicht weinen. Wenn ich diese Welt verlasse, muss die Sonne scheinen … Viel zu oft hat Regen mich begleitet … Bist der einzige Sonnenschein, der mir geblieben ist … Darum strahle. Strahle ein letztes Mal für deine Mutter … Mein Töchterchen.“
    „Du hast immer gesagt, ich sei dein Augenstern. Deshalb kann ich nur deine Hand halten und dir vielleicht ein wenig leuchten, wenn

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