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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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hochgestelltes Burgfräulein die Gaudi, uns Dörfler in Zigeunertracht zu verunsichern“, war die einhellige Meinung der Barmsfelser.
    Bald schon ließ Isabella vom Stellmacher eine Kutsche anfertigen, da ihr das Einkaufsgepäck von Mal zu Mal schwerer dünkte. Innen war das Gefährt mit wertvollen Teppichen und Decken ausgestattet, die Sitze mit rotem Samt bezogen. Darin fuhren sie und Bernhard durch die Gegend, gezogen von Feuerblut und Herzgestein.
    Mittlerweile kannte jeder Einwohner die Maid, grüßte sie respektvoll, die Männer zogen die Mützen vom Kopf, die Weiber knicksten artig. Das gefiel Isabella. Sie wurde immer wagemutiger, hielt sogar ab und zu ein Schwätzchen mit dem Herrn Pastor und seiner Frau.
    Der Mai rauschte ins Land und mit ihm gelber Löwenzahn, der den Heideboden flutete. Ehrenpreis und Hagebutten blühten dazwischen, dufteten nach Frühling und Glück.
    In aller Herrgottsfrühe, bevor die Lerche ihr Morgenlied trällerte, brachen die Geschwister zu ihrem wöchentlichen Besuch nach Bramsfels auf. Um diese Zeit begegneten sie gewöhnlich nicht vielen Gaffern, was ihnen sehr gelegen kam, mussten sie doch den Schmied aufsuchen, ehe der Einkauf getätigt werden konnte. Herzgestein hatte nämlich ein Hufeisen verloren, lahmte.
    Diesmal fühlten sie sich an eine Völkerwanderung erinnert. Von nah und fern strömten Bürger aus der Heide dem kleinen Dorf entgegen. Von Lüneburg, Uelzen, ja, selbst aus Celle und Gifhorn kamen sie angereist, die meisten zu Fuß, einige in Kutschen oder auf Pferden. 
    „Nanu , was geht denn hier vor sich?“ Isabella wunderte sich. Auf Antwort brauchte sie nicht zu warten. Laut drang das Geschwätz der Dahineilenden an ihr Ohr.
    „Gut, dass die verlotterte Metze endlich ihre gerechte Strafe erhält. Lange genug hat es gedauert“, verkündete einer der Wanderer, Beifall heischend.
    „Weil sie ihre Schandtaten leugnete“, erwiderte eine spindeldürre Städterin, der die Schweißtropfen von der Stirn perlten, „aber unter der Folter ist noch jede Hexe geständig geworden. Der Henker ist ein Meister seines Fachs. Hat bisher alle Satansbräute zum Reden gebracht.“
    „Sein Knecht Ludwig steht ihm in nichts nach. Hat gut aufgepasst, bei den Methoden seines Meisters“, mischte sich eine beleibte Person mit Blümchenkleid und Strohhut ins Gespräch. Sie schwitzte noch mehr als ihre Bekannte und prustete unaufhörlich.
    „Kleine Kinder hat sie gefressen, und den Gutsherren mit dem Messer durchlöchert, als er dazu kam, wie sie ihren Besen bestieg, um durch die Lüfte zu reiten“, geiferte ein weiteres Weib aus dem Pulk der Schaulustigen, die sämtliche Straßen und Wege übersäten.
    „Reineckes Hermann überraschte die Dirne, wie sie’s mit Beelzebub trieb. Unschamhafte Praktiken des Geschlechtsverkehrs haben sie ausprobiert“, ließ sich ein Kleinwüchsiger vernehmen, und die Weibsleute erröteten.    
    „Bauer Hinrichs Vieh hat sie verhext. Ihm ist eine Milchkuh nach der anderen verreckt“, sagte die Frau des Bäckers, bei dem die Geschwister immer das Brot kauften. Sie stand vor der Backstube, die heute geschlossen blieb, hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt und beobachtete voll Interesse die Parade.
    Isabella hatte genug von den Verleumdungen, gab Bernhard, der auf dem Kutschbock saß, Anweisung, die Rösser durch die Menge zu treiben. Doch die Tiere scheuten, denn ein Sechsspänner drängelte sie zur Seite und bewaffnete Schergen polterten: „Platz da! Platz für den Herzog von Lüneburg!“
    Bernhard hatte Mühe, die sich aufbäumenden Hengste zu bändigen und rückwärts in eine unbelebte Seitengasse zu manövrieren, die so schmal war, dass die Kutsche nicht einmal umkippen konnte, geschweige denn, ein anderes Wesen, ob Mensch oder Tier vorbeizulassen. Sie steckten fest. Es ging weder voran noch zurück. Eingekeilt zwischen baufälligen Scheunen, blieb ihnen nichts übrig, als den Zug zu beobachten.
    Isabellas Neugier erwachte, hatte sie doch bisher nie einer Hexenverbrennung beigewohnt und wollte sich informieren, welch schrecklicher Tod ihrer Mutter hatte bevorstehen sollen. Und vielleicht auch in Kürze mir, wenn die Morde am schwarzen Harras und dem Albino nicht aufgeklärt werden und die Häscher mich fangen, dachte sie, während es ihr eiskalt über den Rücken lief. Schreckensbleich kletterte sie zu ihrem Bruder auf den Kutschbock und ergriff seine Hand.
    „Isabella hat Angst“, wisperte sie.
    „Keine … Angst … Isabella …

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