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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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sich bei den Händen und rannten wie junge Fohlen über das Heidemoos.
    Endlich banden sie die Pferde an zwei Eiben fest und suchten Rubinas Erdhöhle. Die Falltür lag so gut unter Moos und Schilf getarnt, dass selbst Isabella, die hin und wieder als Kind mit der Mutter hier gewesen war, sie nicht auf Anhieb finden konnte. Das Mädchen scharrte so lange auf dem sandigen Boden herum, bis es den Eisenring ertastete. Bernhard zog daran, und ein riesiges, schwarzes Loch klaffte vor ihren Augen, an dessen Außenrand eine ausgetretene Stiege in die Tiefe führte. Behände kletterte Isabella abwärts, half dem Bruder, der sich fürchtete, vorsichtig rückwärts die Stufen hinunterzusteigen. Es war nicht dunkel dort unten. Dicht bei dicht zierten Kienspäne die Wände, spendeten warmes, wohliges Licht.
    Ein mit Holz vertäfeltes, durch Eisenträger abgestütztes Zimmer erwartete sie. Ü ppig eingerichtet, mit wertvollen Möbeln bestückt.
    „Richtig gemütlich“, jauchzte Isabella, die sich auf dem Doppelbett mit Federkissen und Bettdecken niederließ. „Wie bei reichen Leuten. Nicht übel, Brüderchen.“
    „Nicht übel“, wiederholte Bernhard, der jeden Winkel durchstöberte und aus einer mit Vorhängen vom übrigen Raum abgetrennten Ecke fünf Hafersäcke hervorzerrte.
    „Junge, Junge, vorläufig brauchen wir keinen Kohldampf schieben“, lachte das Mädchen und stieß einen anerkennenden Pfiff aus. Sie hatte die von der Zigeunerfürstin beschriebene Truhe gesichtet und im Nu geöffnet.
    Gleißendes Geschmeide, Goldtaler und Dukaten in Hülle und Fülle blendeten ihre Augen. Fassungslos starrte sie den Schatz an, wühlte mit beiden Händen im Gold herum, griff sich ein mit Diamanten besetztes Diadem, platzierte es auf ihrem Lockenkopf.
    „Na, wie sehe ich aus?“
    „Nicht übel“, sagte Bernhard.     
    „Bruder, begreif doch. Wir sind reich, reich, reich“, jubilierte sie. „Weißt du, was das bedeutet? Hunger wird in Zukunft für uns ein Fremdwort sein. Mütterchen hat gut für ihre Kinder vorgesorgt. Freu dich, Bernhard, freu dich!“
    Der Junge verzog den Mund zu einem Grinsen.
    „Bernhard … freut … sich“, stotterte er, aber seine Augen lachten nicht mit. Isabella hingegen überlegte bereits, welch herrliche Gewänder sie anfertigen lassen könnte. Nur erlesene Stoffe und Farben kamen in Frage.
    „Ich werde wie eine Herzogin durchs Dorf schreiten. Ach, was sag ich? Wie eine Königstochter.“
    „Kürassier“, brachte der Bruder mühsam über die Lippen.
    Isabella grübelte, was er damit andeuten wollte und schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn.
    „Natürlich. Du hast recht. Die Leute würden Verdacht schöpfen, uns nachspionieren, überfallen und ausrauben. Wir wären wieder arm wie eh und je. Womöglich bekäme sogar der Kürassier Eberhard von Greifsburg davon Wind. Und dann gnade uns Gott. Du bist nicht blöd, Bernhard, hast Isabella vor einer Riesendummheit bewahrt.“
    Da lachte er. Und diesmal strahlte sein Gesicht.

Jeden Tag kochte Isabella leckeren Haferbrei. Bernhard zimmerte aus Ästen und Zweigen eine wetterfeste Unterkunft für die Pferde, tarnte sie mit Laub, damit sie nicht auffiel, falls doch einmal jemand in dieser verlassenen Gegend vorbeiwandern sollte.
    In der Freizeit ritten sie durch die endlose Heide, erkundeten jedes Fleckchen der neuen Heimat. Sie genossen ihre Ausflüge und fielen des Abends todmüde ins Bett, in dem sie sich eng aneinander kuschelten und wunschlos glücklich einschliefen.
    Ewig hätte es so weitergehen können, aber die Vorräte neigten sich gen Ende, sodass Isabella den aus einer Handvoll Bauernhöfen und vereinzelten buckligen Fachwerkhäusern bestehenden Ort Barmsfels aufsuchen musste. Grau in grau lag er zwischen Lüneburg und Uelzen, bestand nur aus Alltag und harter Arbeit. Selten tauchte ein Fremder auf, den die Heidjer neugierig musterten.     
    Hoch zu Ross ritt das Mädchen mit ihrem farbenfrohen Flickenkleid, an dem die Glöckchen bimmelten, und bunten Bändern im Haar ins Dorf, begleitet von misstrauischen Blicken der Bevölkerung. Sie kaufte beim Bäcker und beim Fleischer ein. Dann hielt sie an der Mühle, besorgte säckeweise Hafer für sich und die Pferde, bei Bauer Hinrichs Milch, Butter und Eier, zahlte überall mit klingender Münze.
    Wohlgefällig schmunzelten die schweigsamen Heidjer, konnten sie doch jeden Pfennig und erst recht einen guten Groschen dringend gebrauchen.
    „Vermutlich macht sich ein

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