Die Heilanstalt (German Edition)
während Patrick binnen kürzester Zeit in die geschlossene Zweite überwiesen und bald darauf genesen aus der Anstalt entlassen werden würde. Er fühlte sich so beschwerdefrei und wohl, dass er glaubte, noch heute Abend geheilt abreisen zu können. Aber dann dachte er gleich, dass er gar nichts dagegen einzuwenden hätte, die Heilwirkung des Tees noch für einige Zeit in Anspruch zu nehmen. Ohnehin würde nicht er selbst, sondern Herr von Wallenstein den Zeitpunkt seiner Entlassung festlegen. Der erste Tag in diesem Sanatorium – das konnte er schon jetzt behaupten – hatte seine Erwartungen bei Weitem übertroffen. Auch wenn Patrick nicht sagen konnte, wie seine Erwartungen ausgesehen hatten oder ob er vor seiner Ankunft überhaupt welche gehabt hatte. Einen kurzen Augenblick lang dachte er darüber nach, verzog aber sogleich das Gesicht vor Schmerzen. Denken, grübeln, sich sorgen und kümmern, hinterfragen, zweifeln, hasten und eilen … Patrick fühlte förmlich, wie diese Dinge seine Gesundung bremsten und hinauszögerten. Einzig zum Entspannen war er in dieser Anstalt, und nichts – da würde von Wallenstein ihm unzweifelhaft zustimmen – half ihm besser dabei als die besänftigende Wirkung des Tees. Patrick erinnerte sich vage an manches, worüber er bei seiner Ankunft nachgedacht hatte. Einiges an diesem Ort war ihm nicht geheuer erschienen; auch einer seltsamen Äußerung von Melanie entsann er sich: Am Vormittag im Wandelgarten hatte sie ihm etwas erzählt, das eigenartig war und worüber er zu einem späteren Zeitpunkt noch mit ihr zu sprechen beabsichtigt hatte. Aber jetzt wollte Patrick von diesen Angelegenheiten nichts mehr wissen und sich stattdessen auf seinen Heilungsprozess konzentrieren. Und diesbezüglich – so seine Überzeugung – war jedes Kopfzerbrechen hinderlich.
»Worüber denkst du nach?«, fragte Melanie, die seinen abwesenden Gesichtsausdruck bemerkt hatte.
»Über gar nichts!«, erklärte Patrick erfreut und fühlte sich in seinem genesungsfördernden Vorsatz sogleich bestätigt.
Wie ein kleiner Bach mit stetem Strom trieb die Patientenschlange am Buffet vorwärts.
Patrick begutachtete die Speisen mit strahlenden Augen und lud sich von fast allem etwas auf den Teller, obwohl sein Appetit sich in Grenzen hielt. Schon aus Neugierde wollte er alles probieren, da sich im Buffet so viele Delikatessen fanden, die er nie zuvor gekostet hatte, wie es im Wandelgarten Pflanzen gab, von denen er noch nie gehört hatte.
Das Buffet eröffnete mit einer umfassenden Auswahl an Salaten in gläsernen Schüsseln, die nachträglich von Angestellten hereingebracht worden waren. Es gab rohen Blattsalat, gewürzten Feldsalat, Caesar Salad, Bohnen-, Nudel- und Kartoffelsalat sowie zahlreiche Soßen, die in separaten Töpfchen aufbewahrt waren.
Nach diesem Aufgebot folgten zwei große, beheizte Bottiche, aus denen eine klare Hühner- beziehungsweise eine cremige Brokkolisuppe zu schöpfen waren. Gleich daneben standen kleine Suppenschälchen mit Löffeln bereit.
Die weite Palette der Hauptspeisen bestand zum einen aus fein zubereiteten Fleischgerichten, darunter Schweinebraten in dunkler Soße, zartes Putenfleisch, saftiges Rinderragout mit Champignons sowie Bratwürsten und zum anderen aus Vegetarischem, wie Pasta und mit Käse überbackenen Gemüseaufläufen. In einem Topf lagen Spaghetti zu einem großen Knäuel verstrickt und gesondert daneben die dazugehörige Tomatensoße. Außerdem gab es Spätzle, Bandnudeln und mit Gemüse gefüllte Lasagne.
Als Beilage zum Fleisch gab es kleine, runde Kartoffeln, Kartoffelpüree, Erbsen mit Möhren, Blumenkohl in Sauce hollandaise sowie knusprig-goldene Pommes frites.
Nachdem Patrick die Fleischpassage hinter sich gelassen hatte, war sein Teller so gefüllt, dass kein Platz mehr für die Nudelgerichte blieb. Darüber musste er lachen und gab Melanie recht: Das Buffet war ein Festmahl!
Am Ende des langen Tisches war das Dessert aufgedeckt, das den krönenden Abschluss bildete. Vanille- und Schokoladenpudding lagen noch unberührt in zwei Glasschüsseln, und ein vorgeschnittener Kirschkuchen sowie eine mit Sahne bedeckte Reistorte standen auf je einem silbernen Tablett. Außerdem gab es diverse Süßigkeiten, unter anderem gefüllte Pralinen, kleine Mozartkugeln und gezuckertes Gebäck. Aber auch weniger sündhafte Nachspeisen waren vorhanden, etwa mundgerecht geschnittene Wassermelonenstücke, eine Schale mit Äpfeln, Birnen, Bananen und
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