Die Heilanstalt (German Edition)
Trauben sowie eine Schüssel mit saftigen Erdbeeren.
Staunend sah Patrick auf diese großartige Auswahl an Nachtisch, doch verzichtete trotz der Versuchung auf alles, da er nicht einmal die Hauptspeise bewältigen zu können glaubte.
Sein Blick fiel zuletzt auf die Teekanne, die inzwischen wieder von einem halben Dutzend Patienten umkämpft war. Patrick überlegte kurz, ob er noch einmal hingehen sollte, aber dachte dann, dass die Wirkung des letzten Konsums noch ausreichend vorhielt und an seinem Platz noch ein voller Becher auf ihn wartete.
Zufrieden schaute er auf seinen mit Fleisch und Beilagen üppig gefüllten Teller und begab sich dann zu Melanie, die wie schon beim Frühstück viel weniger als er vom Buffet genommen hatte und deshalb schon früher wieder zum Tisch zurückgekehrt war.
Als Patrick sich zu ihr setzte, betrachtete sie lachend seinen beinah überlaufenden Teller. »Wo lässt du das bloß alles?«
»Gute Verdauung!«, meinte er grinsend, griff zum Becher und stutzte, da dieser unerwartet leicht war. Erschrockenen stellte er fest, dass vom Tee nur noch der Bodensatz übrig war und ein paar Tropfen träge vom Rand hinab kullerten. Eine Weile hielt er den Becher ungläubig vor den Augen, als würde er eine undichte Stelle suchen. Empört sah er dann zu Melanie, die er zunächst verdächtigte. Doch sie hatte den Blick ohne erkennbare Scham auf ihren Teller gerichtet und beschäftigte sich mit einer kleinen Portion Spätzle in dunkler Soße. Ohnehin kam sie als Täterin nicht infrage, da sie den Tee doch generell nicht trank.
Patrick starrte grimmig auf das alte Paar, das nach wie vor mit ihnen am Tisch saß, und ließ die Augen nervös zwischen den beiden hin und her wandern. Voller Misstrauen untersuchte er ihre Gesichtszüge, doch entdeckte bei keinem der beiden ein Anzeichen von Schuldbewusstsein. Der Alte bohrte starrsinnig mit einem Löffel in einem Haufen Kartoffelbrei, als wollte er dort eine Botschaft einmeißeln, derweil die Frau mit unverändert leerem Blick und freundlichem Lächeln durch den Raum spähte, so als würde sie in der Ferne ein bekanntes Gesicht suchen, das sie jeden Augenblick zu entdecken erwartete.
Patrick biss wütend die Zähne zusammen und betrachtete mit düsterem Blick die Leute im Saal, um in ihren Gesichtern verräterische Züge auszumachen. Beharrlich suchte er nach schadenfrohen Grimassen und geröteten Wangen, gab Acht, ob jemand verdächtig zu ihm hinübersah oder im Gegenteil auffallend den Blick in seine Richtung mied. Aber die Menschen wirkten allesamt unschuldig, unterhielten sich lautstark über Belangloses, schaufelten das Essen in sich hinein und spülten es mit dem Tee hinunter. Patrick stellte seine Bemühungen ein und fand sich knurrend damit ab, dass der Dieb straflos davongekommen war.
Wenn ich den erwischt hätte! , dachte er und verkrampfte die Hände zu Fäusten. Aber wütend war Patrick auch auf sich selbst, denn er hätte wissen müssen, dass er den Tee nicht so unbeaufsichtigt am Tisch zurücklassen durfte. Würde er nicht selbst dankend zugreifen, wenn jemand einen vollen Becher derart unbewacht stehen ließe?
Sei’s drum, nun würde er erst einmal in Ruhe essen, wenn auch seine Kehle schon wieder unangenehm kratzte und ihm die Speisen, so wunderbar sie waren, infolgedessen nicht recht schmecken wollten.
Nach dem Mittagessen ließen Patrick und Melanie sich im großen Hof nieder, der als Freizeitgelände ausgeschrieben war. Sie machten es sich auf einer der Holzbänke bequem und beobachteten von dort, wie die anderen Patienten aus dem Speisesaal drangen und zumeist geradewegs zum Unterhaltungszentrum pilgerten. Manche folgten Patricks und Melanies Beispiel und nahmen auf den Bänken im Hof Platz, um in Ruhe das frisch verzehrte Mahl zu verdauen. Eine kleine Gruppe ließ sich auf dem Rand eines der beiden Springbrunnen nieder, während ein Mann mittleren Alters sich in den Schatten des großen Lindenbaumes setzte und dessen breiten Stamm als Lehne nutzte.
Patrick fühlte sich pudelwohl; sein Magen war auf angenehme Weise gefüllt, und natürlich hatte er vor dem Verlassen des Speisesaals noch einen Becher Tee zu sich genommen. Das türkisfarbene Schimmern glomm nun warm in Patricks Innerem und wirkte auf seinen Geist in jener zauberhaften Weise entspannend und belebend zugleich. Er fühlte sich wieder von einem Schirm umgeben, der ihn vor störenden Einflüssen der äußeren Welt schützte, und befand sich in einer Phase höchster
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