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Die Heilanstalt (German Edition)

Die Heilanstalt (German Edition)

Titel: Die Heilanstalt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Geraedts
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lange dageblieben, wenn wir nicht so sehr die Gesellschaft der fremden Nomaden genossen hätten. Uns war bewusst, welches Risiko wir eingingen, aber wir wollten die Gefahr für eine Weile vergessen und menschlich sein. Wir wollten so leben wie in der alten Welt, vor dem Anbruch der Finsternis. Wenn auch nur für einige Stunden.«
    Judith verkrampfte das Gesicht, und ihre Mundwinkel fielen zu einem zitternden Bogen herab. Sie konnte nicht gleich weitersprechen, aber Janick ahnte, wie ihre Erzählung endete.
    »In jener Nacht haben die Kreaturen euch aufgesucht, nicht wahr?«
    Judith nickte und schluchzte leise.
    »Wir verstummten vor Schreck, als draußen plötzlich ein grässliches Heulen zu hören war«, sagte sie und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Wir redeten uns ein, es sei bloß der Wind, der stürmisch um die Hütte pfiff. Aber wir wussten, was es wirklich war.«
    Ihre Stimme brach, und sie begann zu weinen; Janick nahm sie tröstend in den Arm.
    »Wir haben einfach weitergemacht«, fuhr sie mit erstickter Stimme fort. »Wir haben uns unterhalten, gescherzt und laut gelacht. Wir hielten uns für freie Menschen und wollten alles um uns herum vergessen. Doch die Wirklichkeit holte uns schließlich ein, als es drei Mal laut an der Tür pochte.«
    Judith klammerte sich fester an Janick. »Wir erstarrten und blickten mit blassen Gesichtern zur Tür. Niemand wollte sich bewegen, niemand konnte sich bewegen.
    ›Macht den Kamin aus!‹, flüsterte einer.
    ›Verriegelt die Tür!‹, raunte ein anderer.
    Keiner dachte daran, dass es ein Nomade auf der Suche nach einer Unterkunft war, so wie mein Vater und ich vor einigen Stunden. Wir hatten das Heulen gehört und wussten, was draußen in der Dunkelheit lauerte. Wir hatten Todesangst.
    Dann drehte sich der Knauf, und die Tür wurde von außen aufgestoßen. Der Wind fegte in die Hütte und ließ uns am ganzen Körper zittern. Aber wir wussten, dass die wahre Kälte von dem Wesen ausging, das als Schatten mit glühend roten Augen in der Tür stand.
    ›Warum so verängstigt, warum so still?‹, fragte es mit düsterer Stimme. ›Keine Angst, euch geschieht nichts. Doch sagt mir, warum versteckt ihr euch in den Bergen, wo die Luft kalt und die Nahrung rar ist? Wir haben im Tal so herrliche Siedlungen für euch errichtet, die Schutz und Verpflegung für jedermann bieten.‹
    Niemand antwortete; wir starrten wie gelähmt in die roten Augen des Schattens.
    ›Nun, hüllt euch eben in Schweigen‹, fuhr das Wesen fort. ›Verharrt in Hunger, Kälte und Einsamkeit, anstatt mit den anderen eurer Art, die wohl klüger sind, ein unbeschwertes Leben zu führen. Nur eines verlange ich und warne euch, es abzulehnen: Einer aus eurem Kreise wird heute mit mir kommen. Erfüllt mir diesen Wunsch, und ihr sollt weiter eures Weges ziehen, ohne mir noch einmal zu begegnen.
    Bedenkt: Der Tapfere, der mich ins Tal begleitet, wird nicht sterben, sondern eine wichtige Aufgabe übernehmen, die seinem Mut entspricht. Findet sich jedoch kein Freiwilliger, so werde ich jeden von euch mit Gewalt an mich reißen und euer Leben im Schmerz beenden. Beratet euch und trefft eure Entscheidung weise; unser Zusammentreffen muss keinen Tod hervorbringen, sondern kann mit dem friedvollen Gebot des Gebens und Nehmens enden.‹
    Dann trat das Wesen hinaus und zog die Tür hinter sich zu.
    Wir starrten eine Weile wortlos ins Leere, bis mein Vater wütend die Stimme erhob: ›Lasst uns diesen Dämon zur Hölle jagen, woher er gekommen ist! Eher sterben wir zusammen, als uns ihm zu unterwerfen!‹
    Tief erschrocken sah ich ihn an, und auch die anderen drehten sich mit erstaunter Miene zu meinem Vater.
    ›Wir sollen uns zur Wehr setzen?‹, fragte einer ungläubig.
    ›Diese Wesen formen die Materie frei nach ihrem Willen!‹, rief ein anderer ängstlich.
    ›Ja, ein Kampf wäre aussichtslos!‹, meinte ein Dritter.
    Nur Leo saß ganz still da, mit einem furchtlosen Blitzen in den Augen, und brachte die Zweifler plötzlich durch seine kräftige Stimme zum Schweigen. ›Seid still! Er hat recht! Entweder kämpfen wir als freie Menschen oder wir gehorchen als Sklaven!‹
    Leo richtete seine große Statur auf, die fast bis zur Decke reichte, und betrachtete uns mit vorwurfsvollem Blick. ›Die Ältesten sind vor den Bestien geflohen, um der Knechtschaft zu entgehen. Aber es war nie in ihrem Sinn, sich bis ans Ende aller Tage wie räudige Hunde in Höhlen zu verkriechen. Die Nomaden sind keine

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