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Die Heilanstalt (German Edition)

Die Heilanstalt (German Edition)

Titel: Die Heilanstalt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Geraedts
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öffnen. Wir hätten gehen sollen, aber die Kälte und unser knurrender Magen trieben uns in die Hütte. Als wir eintraten, starrten die Leute uns eindringlich in die Augen und schnauften dann vor Erleichterung.
    ›Kommt rein, nicht so schüchtern!‹, rief ein kräftiger Bursche, der sich uns später als Leo vorstellte. ›Hungrige Wanderer sind bei uns immer herzlich willkommen! Setzt und stärkt euch!‹
    Mein Vater und ich wechselten einen frohen Blick, legten unsere Mäntel ab und gesellten uns in die Runde. Sie gaben uns Fleisch und warfen ein weiteres Holzscheit ins Feuer. Nachdem wir gegessen hatten, saßen wir noch stundenlang beisammen und redeten über unsere Vergangenheit und die Zeit vor der Finsternis. Wir waren alle in der ewigen Nacht aufgewachsen, mit Ausnahme eines Greises, der die ganze Zeit über nah am Feuer gesessen und nur stumm zugehört hatte. Irgendwann drehte er sich plötzlich zu uns und erzählte seine Geschichte, die Geschichte der Ältesten . So nennen wir jene, die sich noch an das Licht erinnern. Der alte Mann sprach von seiner Jugend, als die Welt noch hell war, und besann sich auf den Tag, an dem die Finsternis hereinbrach. Er erinnerte sich an einen hellen Lichtstreif, der minutenlang am Himmel gestanden hatte, so als würde ein Meteorit auf die Erde stürzen. Dieses ›Feuer‹, wie er es nannte, war immer nähergekommen und immer gleißender geworden, bis es schließlich wie ein herabfallender Stern hinter den Bergen verschwand. Wenige Augenblicke später war eine ohrenbetäubende Detonation zu hören gewesen, und ein gewaltiges Beben hatte die Welt erschüttert, so als würde sich der Schlund zur Hölle öffnen. Und wirklich hatten viele geglaubt, das Jüngste Gericht sei gekommen, als auf einmal ein dichter Rauch zum Himmel stieg, als stünde die Welt in Flammen, und den Tag zur Nacht machte. Es war wie eine Sonnenfinsternis, die nicht mehr enden wollte. Einige Stunden später waren jene Kreaturen in die Städte eingefallen, um sich die Menschen untertan zu machen.«
    Janick hörte aufmerksam zu, während Judith diese alte Geschichte wiedergab, und nickte fortwährend, da sie ihm aus der Siedlung in ganz ähnlicher Form bekannt war (auch wenn sie dort nur im Flüsterton weitergegeben wurde). Judith schluckte und schien sich nicht länger erinnern zu wollen; doch Janick verdeutlichte ihr durch seinen erwartungsvollen Blick, dass er alles hören wollte, sodass sie schließlich wieder die Stirn runzelte und ihm zuliebe weitersprach.
    »Der Älteste erzählte uns, wie die Kreaturen alles von Menschenhand Erbaute in nackte Felsen verwandelten und Siedlungen erschufen, in denen sie die Menschen wie Tiere einpferchten. Einmal im Monat kommen sie seither aus ihren unterirdischen Bauten hervor, um den Siedlern ein Opfer abzuverlangen und ihnen im Gegenzug einen spärlichen Nahrungsvorrat zu überreichen. Sie nennen es das ›friedvolle Gebot des Gebens und Nehmens‹. Die meisten haben sich dem Willen der Wesen gebeugt. Doch einige haben sich geweigert und sind in die Berge geflohen. Dort hielten sie sich in Höhlen versteckt oder bewohnten die wenigen verbliebenen Häuser und Hütten. Sie ernährten sich von Wurzeln, Nagetieren, Ungeziefer und Fledermäusen. Außerdem gibt es bis heute einige Seen, in denen noch Fische leben. Dies war der Anfang der Nomaden, der ›letzten freien Menschen‹, wie wir uns selbst gern nennen. Auch ich bin in diese Welt hineingeboren, da mein Großvater zu den Ersten gehörte, die vor den Kreaturen ins Gebirge geflüchtet sind. Als Nomade leidet man unter Kälte, Hunger und Angst. Aber wir wissen, dass es den Siedlern kaum besser geht, und wir haben zumindest unsere Freiheit bewahrt.«
    Janick nickte. »Auch ein Siedler wird niemals richtig satt, friert und verdirbt sich die Augen im künstlichen Licht. Aber wenigstens leben wir nicht in der ständigen Angst, von den Wesen entdeckt und bestraft zu werden.«
    »Sie kommen nur selten in die Berge hinauf«, entgegnete Judith. »Für gewöhnlich bleiben sie in ihren unterirdischen Bauten und begeben sich nur einmal im Monat an die Oberfläche, um von den Siedlungen ihr Opfer einzufordern. Sie wissen, dass im Gebirge Menschen leben. Aber sie sehen wohl keine Notwendigkeit, sie aufzuspüren und einzufangen. Damals in der Berghütte fürchteten wir natürlich, dass die Kreaturen unseren Unterschlupf entdecken würden, zumal das Kaminfeuer wie ein Leuchtturm unser Versteck verriet. Wir wären bestimmt nicht so

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