Die Heilanstalt (German Edition)
Feiglinge, sondern Kämpfer für ihr Recht auf Freiheit! Und es wird der Tag kommen, an dem wir uns gegen diese Monster erheben werden, um unsere Welt zurückzuerobern. Die Sonne wird wieder scheinen und den Himmel erhellen, so wie in den alten Tagen.‹
Die meisten mochten ihm innerlich zugestimmt haben, doch sie schwiegen aus Furcht und sahen beschämt zu Boden; nur der Älteste, so gebrechlich er auch war, zwang sich zum Aufstehen und sah Leo mit feuchten Augen an. ›Ich bin stolz auf dich, Junge‹, sagte er und nickte ihm zu. ›Du hast gesprochen wie ein wahrer Nomade und unseren Lebenssinn erkannt.‹
Auch mein Vater sah Leo zufrieden an und war offensichtlich froh, in ihm einen Gleichgesinnten gefunden zu haben. ›Lass uns, wenn nötig, zu zweit hinausgehen, um zu verteidigen, wofür wir leben‹, sagte er zu Leo und wollte ihm die Hand reichen. Doch dieser wich einen Schritt zurück.
›Wir werden kämpfen und siegen‹, wiederholte Leo mit Nachdruck. ›Aber nicht heute, sondern zur rechten Zeit, wenn ihre Achillesferse bekannt ist.‹
Leo ging zur Tür und zog sie auf.
›Was tut er da? Was hat er vor?‹, riefen alle durcheinander und starrten ihn erschrocken an.
›Ihr sollt leben, um eines Tages vereint in den Kampf zu ziehen‹, waren seine letzten Worte, bevor er in die Dunkelheit hinaustrat. Ein Mann sprang auf, um ihn aufzuhalten, aber es war zu spät. Die Kreatur hatte Leo bereits ergriffen und stürmte mit ihm ins Tal hinab. Ihr grauenerregendes Heulen vermengte sich mit dem Pfeifen des Windes und verhallte bald darauf in der Ferne.
›Leo, nein!‹, schrie der junge Mann, der aufgesprungen war, lief aus der Hütte und starrte entsetzt in die Dunkelheit. Doch außer der weiten Steinwüste war dort draußen nichts mehr zu erkennen. Schreiend stürmte der Mann auf meinen Vater zu und schlug ihn hasserfüllt nieder.
›Du willst kämpfen?‹, rief er mit nassen Augen. ›Dann geh und hol meinen Bruder zurück, der sich für uns geopfert hat! Geh und töte diese Kreaturen, damit sein Tod nicht umsonst war! Du hast Leo diesen Unsinn eingeredet und bist schuld, dass ich ihn verloren habe! Geh, du verlogener Bastard, geh!‹
Der Mann brach weinend zusammen. Mein Vater lag mit gebrochener Nase am Boden und versank in Reue.«
Judith senkte den Blick und atmete mit schwerer Brust. »Die Vorwürfe, die er sich von diesem Tag an gemacht hat, sollten ihn nie wieder loslassen.«
»Deinen Vater traf keine Schuld«, flüsterte Janick. »Er hat nur ausgesprochen, was alle dachten. Leo hätte seine Entscheidung auch ohne ihn getroffen.«
Judith wischte sich Tränen vom Gesicht. »Das wollte ich ihm auch immer wieder erklären. Aber er fühlte sich in den folgenden Jahren schuldig und wartete nur auf eine Gelegenheit, seine Schuld zu begleichen. Vor einigen Monaten stießen wir auf eine Gruppe junger Nomaden. Gemeinsam entdeckten wir eine große Höhle in den Bergen. An diesem verborgenen Ort fühlten wir uns sicher vor den Kreaturen. Doch nach einigen Wochen überraschten sie uns im Schlaf und versetzten uns in ihrer wahren Gestalt in Todesangst. Am Ende forderten sie ihr übliches Opfer. Diesmal war es mein Vater, der aufstand, um mit ihnen zu gehen. Ich hielt mich schreiend an ihm fest und flehte ihn an, mich nicht allein zu lassen. Doch er machte sich von mir los und sagte, es sei für ihn an der Zeit. Er bot sich den Wesen an und ließ sich von ihnen fesseln. ›Ich hab dich lieb, Kleines‹, rief er mir zu, während die Bestien ihn in die Finsternis zerrten. ›Ich werde dich nicht vergessen, hörst du? Vielleicht nehmen sie mir alles andere, aber dich werde ich nicht vergessen, Judith. Niemals.‹«
Sie kämpfte erneut mit den Tränen, und Janick drückte sie fest an sich.
»Dein Vater war sehr mutig«, sagte er. »Du kannst stolz auf ihn sein.«
»Ich habe ihn so schrecklich vermisst«, hauchte sie. »Nach einer Woche habe ich es in der Höhle nicht mehr ausgehalten und bin in die Dunkelheit gelaufen, um ihn zu suchen. Zwei Tage lang bin ich dort draußen umhergeirrt. Ich war völlig entkräftet und halb verdurstet, als die Kreaturen mich fanden. Ich wusste, dass sie mich zu einer ihrer unterirdischen Bauten brachten, wie schon so viele andere. Und ich hatte keine Angst, sondern war voller Hoffnung, meinen Vater wiederzusehen« Judith seufzte traurig. »Er ist wohl schon seit Wochen tot.«
»Vielleicht lebt er noch«, widersprach Janick. »So wie Leo. Und wenn es so ist, werden wir ihn
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