Die Heilerin des Kaisers
ihrer Fehlgeburt, zwei Tage nach Konrads Tod, erzählt hatte. Ansonsten war sie stumm geblieben und hatte versucht, mit ihrem Schmerz alleine fertig zu werden. Niemand sollte wissen, dass sie wochenlang jede Nacht, weinend vor Verzweiflung und gleich einem eingesperrten wilden Tier in ihrer Kammer herumlief und mit GOTT haderte, welcher ihr erst den Liebsten und dann noch dessen Kind genommen hatte.
»Womit habe ich dich, GOTT, erzürnt, dass du mich so geschlagen hast?«
Diese Frage stellte sie wohl an die tausend Mal im Laufe der nächsten Monate – ohne je eine Antwort zu erhalten.
KAPITEL 48
D ER K IRCHENBAU IN Bamberg, dessen Schutzheilige Maria und Petrus sein sollten, ging erneut voran unter einem neuen Baumeister, Wilfried mit Namen. Auch er hatte einst sein Handwerk bei jenem legendären Könner, Meister Gandolf, gelernt.
Griseldis kannte den ernsten und ehrgeizigen Mann flüchtig. Als Erstes hatte Meister Wilfried den Schutt und die Trümmer des eingestürzten Bauwerks beseitigen lassen, dann war er mit seinen Plänen beim König vorstellig geworden.
Sie unterschieden sich zum Glück nur in Nuancen von denen Meister Konrads, so dass einer Genehmigung durch Heinrich nichts im Wege stand. Danach ließ er sich bei Griseldis melden.
Ein kleiner, sanfter Mann mittleren Alters, dessen früh ergrautes, dünnes Haar ihn älter erscheinen ließ, machte ihr seine Aufwartung und sprach ihr sein Bedauern über den Unfalltod ihres Mannes aus. Er lud sie ein, jederzeit, wann sie wolle, zur Baustelle zu kommen. Er bot ihr auch an, sie persönlich herumzuführen und ihr die einzelnen Baufortschritte zu erklären.
Die Heilerin bedankte sich für seine Liebenswürdigkeit. Im Stillen aber hatte sie beschlossen, von diesem Angebot keinen Gebrauch zu machen. Auch nur die Nähe dieses verfluchten Bauwerks war ihr zuwider.
›Mir graut bereits davor, wenn diese Kirche fertiggestellt ist und der gesamte Hof dort jeden Sonntag die Messe hören wird‹, dachte sie und schauderte. Sie konnte es nicht ändern, aber sie empfand regelrechten Hass gegen jeden einzelnen Mauerstein, der dort verbaut wurde…
»Die gesamte Christenheit in Europa wird die Pracht Eures Domes preisen, König Heinrich«, hatte Meister Wilfried dem Herrscher versprochen. Der hatte beifällig genickt und den neu ernannten Baumeister angehalten, den Bau zügig voranzutreiben.
Die Kunde von der Größe der Kirche, der Einmaligkeit ihrer Ausstattung sowie der Existenz zweier Krypten zog Neugierige von nah und fern an. Schon bald fand sich, wie vor dem tragischen Unglück, eine Menge Gaffer an der Baustelle ein.
»Profanbauten aus Stein sind immer noch ziemlich selten«, sagte Vater Berchtold, als Griseldis sich verwundert gezeigt hatte, dass kein Zuschauer Angst vor einer erneuten Katastrophe zu haben schien. »Normalerweise verwendet man bei uns Holz zum Bauen. Nur Königspfalzen, Befestigungsanlagen und bedeutende Gotteshäuser beginnt man aus dem ewigen Material Stein zu errichten. Das lockt Schaulustige an. Dass sich wiederum ein so schreckliches Unglück ereignen könnte – was GOTT verhüten möge –, daran denkt keiner der Zuschauer; ihre Neugierde ist einfach zu groß.«
Sowohl die Gefährten des Königs wie die Damen der Königin ließen es sich angelegen sein, die Baufortschritte mit kritischen Blicken zu begutachten; aber niemand fand etwas daran auszusetzen. Der Bau versprach in der Tat, ein Muster an Harmonie und Großartigkeit zu werden.
Nur Griseldis mied nach wie vor die Baustelle – nicht einmal aus der Entfernung mochte sie ihre Augen darauf ruhen lassen.
Vater Berchtold, dem ihr Widerwille gegen den zukünftigen Dom nicht entgangen war, hatte sie behutsam darauf angesprochen.
»Allzu deutlich, Pater, sehe ich den blutüberströmten Leichnam meines Gatten vor mir, den die Helfer aus den Trümmern geborgen haben. Nie werde ich den Augenblick vergessen, als man mir den zerschundenen Körper Konrads in den Schoß gelegt hat«, vertraute sie dem alten Mann an, dessen Herz vor Mitleid schier zerfloss.
Plötzlich, nach jahrelangem hartnäckigem Schweigen des Königspaares, begann Herr Heinrich wie ganz selbstverständlich von der Errichtung eines neuen Bistums in Bamberg zu sprechen, welches er und seine fromme Gemahlin zu stiften und reich auszustatten gedächten.
Die Königin sollte als Ersatz für Bamberg, das ihr einst als Morgengabe am Tag nach der Hochzeit von Heinrich als Witwensitz geschenkt worden war,
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