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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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zurück. Sie hatte sich von der Dienerin Wasser einschenken lassen, da sie sich nicht viel aus Alkohol machte. Vater Berchtold, der den ganzen Abend über recht aufgeregt gewirkt hatte, ergriff plötzlich das Wort, nachdem er seinen Bierkrug abgesetzt und sich den Mund mit der Hand abgewischt hatte:
    »Herr Heinrich, ich weiß ja, dass Ihr jetzt, nachdem Ihr wieder wohlauf seid, nicht gerne über Krankheiten reden hört. Aber ich habe etwas in Erfahrung gebracht, das Euch in Zukunft viel Pein ersparen könnte. Wollet mich daher gnädig anhören, Herr.«
    Heinrich nickte und der Mönch begann zu dozieren:
    »Schon der Römer Plinius hat das Steinleiden beschrieben und zugleich ein Gegenmittel angepriesen. Er behauptete, selbst der härteste Stein im Menschen würde ganz weich und schließlich aufgelöst werden durch das Blut und das Fleisch eines Ziegenbocks.«
    Vater Berchtold sah den König triumphierend an und fragte: »Was sagt Ihr dazu, Herr Heinrich?«. Als der Mönch zunächst nur erstauntes Schweigen sowie hochgezogene Augenbrauen erntete, fuhr er unbeirrt fort:
    »Ich weiß noch mehr, Herr. Das Mittel hilft besonders gut, wenn man den Bock die letzten vier Tage vor dem Schlachten Wein saufen lässt, der mit Honig und Petersilie vermischt ist.«
    Die Leibärzte des Königs, die bisher mit ihren Therapien kläglich versagt hatten, witterten eine gute Gelegenheit. Das Verfahren war nicht aufwändig und den Ziegenbock konnte man essen. Jedoch das Entscheidende war, wenn es nichts nützte, wäre es nicht ihre Schuld, sondern die des Plinius…
    Sogleich machte sich der ältere der königlichen Medici daran, den anempfohlenen Geißbock anzupreisen: »Ich habe kürzlich auch davon gehört und wollte Euch, Herr Heinrich, das Gleiche vorschlagen. Häufigen Genuss von jungem Ziegenbockfleisch kann ich Euch ruhigen Gewissens empfehlen; es hat mit Sicherheit keine schädlichen Nebenwirkungen«, tönte der Leibarzt großmäulig.
    »Außer, dass ich es geradezu verabscheue«, entgegnete der König trocken. »Der Geschmack von Ziege ist mir zu streng; allein der Geruch bereitet mir schon Übelkeit.«
    »Das dürfte eine Herausforderung für Euren Leibkoch sein, Herr«, sagte Vater Berchtold, unbeeindruckt von des Königs Widerwillen. »Man kann jedes Fleisch so präparieren, dass es seinen Geruch und Geschmack verliert: etwa durch Einlegen in eine Beize von Wein, Essig oder Sauermilch. Dann noch die entsprechenden Gewürze dazugegeben und Ihr haltet es für Wildschwein oder Auerochse, Herr.«
    »Gut zu wissen, dass Ihr Euch auch in den Künsten der Küche auskennt, Pater! Aber ich möchte ganz entschieden darum bitten, mit Ziegenfleisch, egal in welcher Zubereitung, verschont zu werden. Es widert mich an, nur daran zu denken.«
    Aber so leicht gab sich der alte Mönch nicht geschlagen.
    »Manche Medizin ist bitter und dennoch sehr wirksam, Herr«, beharrte er und hob belehrend den Finger. Als er die abweisende Miene des Königs sah, wandte er sich Hilfe suchend an Heinrichs Heilerin.
    »Sagt Ihr doch auch etwas dazu, Frau Griseldis. Gewiss habt Ihr eine Meinung dazu; also lasst sie uns hören.«
    Heinrichs Medica hatte nur mit halbem Ohr zugehört; was in ihre Wahrnehmung eingedrungen war, hatte reichlich fabulös geklungen: Geißenbraten gegen Blasensteine? Sie hatte Dutzende von Patienten erlebt, die häufig Ziege aßen und dennoch an den schrecklichen Koliken litten. Sie müsste den guten Pater enttäuschen.
    Rasch überlegte Griseldis, wie sie es vermeiden konnte, Vater Berchtold öffentlich zu widersprechen – er sollte nicht vor Zeugen des Hofs sein Gesicht verlieren. Aus dem Augenwinkel heraus war ihr bereits der spöttische Gesichtsausdruck Frau Irmintrauts aufgefallen. Sie würde es sicherlich genießen, Zeugin einer Verstimmung zwischen dem Benediktiner und der Heilerin des Königs zu sein.
    »Ich gestehe offen, dass mir diese Empfehlung des Plinius bisher nicht bekannt war, Pater. Ich kann mich daher über seine Wirksamkeit nicht äußern«, zog sie sich geschickt aus der Affäre. »Aber das sagt ja nicht, dass es nicht möglich wäre, damit Heilerfolge zu erzielen, Vater Berchtold. Das Wesentliche scheint mir in König Heinrichs Fall jedoch zu sein, dass unser Herr einen ausgesprochenen Ekel vor Ziegenfleisch hat.
    Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass es wenig sinnvoll ist, einen Patienten zu etwas zu zwingen, das er zutiefst ablehnt. Diese Ablehnung bewirkt in der Regel das Gegenteil der angestrebten Wirkung.

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