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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Für König Heinrich könnte dies bedeuten, dass sich sein Leiden verschlimmert – obwohl es anderen Kranken vielleicht zu helfen vermag.«
    Griseldis hoffte, sich damit elegant herausgewunden zu haben. Und in der Tat, Herr Heinrich warf ihr einen erleichterten Blick zu: Das Thema Ziege war vom Tisch, der Mönch war mit seinem wohlgemeinten Ratschlag nicht der Lächerlichkeit preisgegeben worden und die Base der Königin konnte das höhnische Lächeln aus ihrem Gesicht verschwinden lassen.
    Man saß noch lange vergnügt beisammen; im Hintergrund zupfte Meister Giacomo in einer Fensternische sitzend die Saiten seiner Harfe, summte vor sich hin und die Hofgesellschaft ließ die Becher kreisen.
    »Kommt doch zu uns an die Tafel, Spielmann, und singt und spielt uns etwas Heiteres vor«, forderte Heinrich den Sänger auf und der ließ sich nicht lange bitten.
    Da richtete Vater Berchtold das Wort an ihn und fragte in sentimentaler Bierlaune:
    »Giacomo, Ihr stammt zwar aus der Nähe von Florenz, aber sagt, kennt Ihr auch Lieder aus der Gegend von Sankt Gallen und dem Kostritzer See?«
    Der glutäugige Sänger aus dem Süden nickte und wandte sich daraufhin offen an Frau Irmintraut, die ihm – alle außer der Königin wussten davon – schon seit Längerem schöne Augen machte:
     
    Schwarzbraun sind die Haselnüss,
    und schwarzbraun bin auch ich;
    und wenn mich eine lieben will,
    dann muss sie sein wie ich.
     
    Worauf Kunigundes Verwandte schlagfertig dagegenhielt und sang:
     
    Sein Grund und Boden
    pflanz ich nicht,
    nach seiner Pfeife
    tanz ich nicht.
     
    »Das stammt alles aus der Gegend meines Heimatklosters Reichenau«, meinte der alte Mönch beglückt und wehmütig zugleich. König Heinrich, ebenfalls in heiterer Stimmung, legte den Arm um die Schulter seiner Gemahlin und trank ihr zu, während Signor Giacomo ein weiteres Liedchen anstimmte:
     
    Ich pflück ein schönes Blümelein,
    ich pflück es für mein Maid.
    Es ist ein wildes Röselein
    und wächst auf grüner Heid.
    Ach, du, mein liebes Mägdelein
    bist meines Lebens Wonne,
    und schau ich in dein Herz hinein,
    dann lacht die liebe Sonne.
    Bist meine Lieb’ auf immer,
    bin froh, dass ich dich hab,
    will dich verlassen nimmer,
    bis an mein kühles Grab.
     
    Heinrichs Tischgenossen applaudierten und nur wenige sahen, wie Griseldis sich die Tränen abwischte. Sie waren ihr ungehemmt übers Gesicht gelaufen, als sie dieses Lied hörte, das Konrad ihr so oft vorgesungen hatte…
    Plötzlich, als sie die Königin und daneben ihre Base sitzen sah – hell und dunkel, blond und schwarz, sanft und gefährlich, gut und… böse? – hatte sie unvermittelt ein Traumgesicht.
    Auf einmal wusste die Heilerin, dass Kunigunde niemals ein Kind zur Welt brächte. Und sie erkannte auch ganz deutlich den Grund für die Unfruchtbarkeit der Königin. Ihre teuflische Verwandte war es, die eine Empfängnis mit allerlei Mitteln zu verhindern wusste. Und sollten diese nicht wirken und die Königin trotzdem guter Hoffnung sein, verabreichte ihr die »liebe Schwester« heimlich eine Arznei, die den Abbruch herbeiführte…
    Griseldis erinnerte sich wieder an die in ihren Augen zwar lächerliche, aber dennoch grausige Szene in den Kellergewölben der Residenz in Regensburg. Im Geiste sah sie Irmintraut vor sich und deren unheimliche Vertraute, Doña Maddalena, wie sie gemeinsam das teuflische Verbrechen ausheckten und gewissenlos an einer wächsernen Puppe, dem sogenannten ›Abbild‹, ausführten. Sie erglühte vor Zorn, aber gleichzeitig war ihr kalt vor Verzweiflung, denn sie besaß noch immer keinerlei Beweise für ihr Wissen.
    Dann veränderte sich die Szene in ihrer Vision: Griseldis sah sich selbst als alte Frau. Gleichzeitig besaß sie die traurige Gewissheit, dass auch ihr das Mutterglück niemals zuteilwerden würde: War sie doch wie die Königin ein Baum, der zwar in seiner Jugend aufs Beste gedieh und blühte, später aber niemals Früchte tragen sollte…
     
    Bei aller Kurzweil und Vergnüglichkeit des Abends, letzten Endes kam der König immer auf das Reich und seine Schwierigkeiten zurück.
    »Im Augenblick herrscht zwar Ruhe an der Ostgrenze des Landes. Doch Boleslaw Chrobry hält nur deshalb Frieden, weil er damit beschäftigt ist, sich den Großfürsten von Russland vom Leib zu halten.«
    »Die heikle Lage in Italien muss auch möglichst bald in unserem Sinne bereinigt werden, Herr«, erinnerte ihn Herr Eberhard an die Probleme im Süden, jenseits der Alpen, wo

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