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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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ja auch eines Königs nicht würdig, einen gemeinen Verbrecher hinzurichten, nicht wahr?
    Allerdings ist das Henkerdasein kein ehrbares Gewerbe und der Ausübende wird zwar gefürchtet, genießt aber kein Ansehen, sondern wird von allen verachtet.«
    Vor dem Dom waren für die vornehmen Mainzer Bürger Bänke in langen Reihen aufgestellt worden, auch für die Mönche und Nonnen der Klöster. Für die zahlreichen Kinder hatte man am Fuß der Tribüne Platz geschaffen. Das Schauspiel der Aburteilung dieses Täters galt als lehrreich und erzieherisch sehr wertvoll.
    In der ersten Reihe saßen nicht weniger als drei Bischöfe: die geistlichen Oberhirten von Fulda und Paderborn sowie Herr Willigis, der Erzbischof von Mainz, in großem Ornat mit bestickter Mitra und vergoldetem Hirtenstab.
    Neben Äbten und Äbtissinnen waren Archidiakone und Priore anwesend, Domherren, Prälaten und Vikare und hinter ihnen drängten sich in ihren schwarzen Soutanen oder einfachen Mönchskutten eine Anzahl von geistlichen Doctores der Jurisprudenz, während die weltlichen sich in lange, schwarze Talare gehüllt hatten und auf dem Kopf ein schwarzes Barett aus Seide trugen.
    Das bunt zusammengewürfelte Volk, das hinter den Bänken stehend seinen Platz gefunden hatte, stieß sich mit den Ellenbogen an und machte einander auf die hohen Herrschaften aufmerksam. Sie waren in seinen Augen fast noch interessanter als der schäbige Delinquent.
    Selten genug, dass die Männer und Weiber von Mainz so viele Persönlichkeiten des Reiches auf einmal in ihren Mauern begaffen konnten.
    Zwischen den violetten Roben zahlreicher Bischöfe konnte die Heilerin jetzt einen großen, hageren Mann im purpurroten Gewand erkennen. Sein scharf geschnittenes, bleiches Gesicht war ihr bekannt als das des Erzbischofs von Köln.
    »Herr Heribert ist der wichtigste Kirchenmann und zugleich der Erzkanzler des Reiches – nur Herr Willigis könnte ihm den Rang streitig machen«, flüsterte Vater Berchtold Griseldis ins Ohr. »Er ist ein mächtiger Herr, stolz und streng, aber wie man sagt auch gerecht und fromm.« Griseldis reckte den Hals, um den Erzbischof, der von einer Schar geistlicher Würdenträger und vornehmer Höflinge umringt war, genau zu sehen. Was sie selbst über den Kirchenfürsten gehört hatte, deckte sich nicht ganz mit der Einschätzung des Paters.
    Hochfahrend, nachtragend und eingebildet sollte Herr Heribert sein – und durchaus nicht selten in bösem Streit mit seinen Kölner Schäflein…
    Danach richtete die Heilerin erneut den Blick auf den jugendlichen Attentäter. Er hatte blaurote Schwellungen im Gesicht, die von den Misshandlungen durch rohe Kerkerwächter zeugten. Den Mund, der seltsam faltig erschien, hielt er fest geschlossen. Griseldis vermutete, dass man ihm während des strengen Verhörs die meisten Zähne ausgeschlagen hatte.
    In seinem knochigen Gesicht brannten zwei tiefliegende Augen, die weder von der Priesterschar noch von den grinsenden Wächtern und der aufgeregten Menge Notiz nahmen.
    Auf dem weiten Rund vor dem Dom wurde es auf einmal still, sogar die Glocken schwiegen. Graf Gernot, hochgewachsen und blond gelockt, gewandet in einen blauen Samtmantel mit Goldbordüren über einem silbrig glänzenden Kettenhemd, sowie die Kirchenfürsten in ihren bestickten Umhängen und den mit Edelsteinen geschmückten Mitren verharrten reglos wie Marmorfiguren mit starren, unversöhnlichen Gesichtern.
    Griseldis wusste, dass der Kanzler Eberhard mit lebhafter Unterstützung der Königin versucht hatte, den Herrscher dazu zu bewegen, den offenbar geistig kranken Jüngling zwar zu verurteilen, ihn aber dann zu lebenslanger Haft bei Wasser und Brot zu begnadigen. Auch die Patres Berchtold und Odo sowie sie selbst hatten sich für diesen Vorschlag nachhaltig ins Zeug gelegt.
    »Die Menschen werden Euch als streng und gerecht, aber auch als gütig und barmherzig preisen, Herr«, hatten die Mönche zu bedenken gegeben. Aber der König hatte wieder unter seinen Blasensteinen gelitten und insofern war der Zeitpunkt der Petition schlecht gewählt gewesen.
    Erst als ihm Griseldis ihre Hände aufgelegt und ihn wieder einmal von den quälenden Schmerzen befreit hatte, hatte er sich als Zeichen seiner Milde dazu bereitgefunden, dem Henker nach der Brandmarkung und dem Abhauen der Hand zu gestatten, den Attentäter rasch und unauffällig zu erdrosseln, ehe er ihm die Knochen zerschlug, ihn aufs Rad band und schließlich enthauptete.
    Meister Balduin, der

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