Die Heilerin des Kaisers
Gegenkönig Arduin dreist das Zepter schwang. Worauf Bischof Gottfried von Freising bitter anmerkte:
»Leider ist auch der gegenwärtige Heilige Vater nur eine Marionette der deutschfeindlichen Partei Italiens. Auf den Papst können wir also nicht zählen – im Gegenteil.«
»Du siehst, Regieren ist nicht so einfach«, wandte sich Herr Heinrich an seinen Bruder Brun. Dieser, noch ein Jüngling und dem König äußerlich sehr ähnlich, saß aufmerksam dabei und ließ sich kein Wort der Älteren entgehen.
Danach erwähnte die Königin einen Verwandten, dem soeben seine Gemahlin die fünfte Tochter geboren hatte.
»Was, nur Mädchen hat Euer Oheim?«, fragte der Theologiestudiosus Brun ein wenig unbedacht und vorlaut seine Schwägerin.
»Was heißt ›nur‹?«, hakte der König ein. »Ich würde mich glücklich schätzen, wenigstens weibliche Nachkommen zu haben.« Heinrichs eben noch so heiteres Gesicht verzog sich vor schmerzlicher Enttäuschung.
Ohne dass sie es verhindern konnte, stiegen der Herrscherin Tränen in die Augen. Ehe sie ihr übers Antlitz strömen konnten, erhob sie sich rasch. Sie wollte die entspannte Stimmung und gute Laune der Anwesenden nicht zerstören.
»Kommt, Herr Heinrich, es ist spät geworden«, sagte sie zum König. »Wollen wir uns zur Ruhe begeben.« Kunigunde war um ein Lächeln bemüht. »Viel Arbeit erwartet Euch morgen wieder, mein Gemahl. Gute Nacht und GOTTES Segen Euch allen.«
Der König war sofort aufgestanden und reichte ihr den Arm. Gemeinsam verließen sie die Halle.
»Das Einzige, was beiden noch fehlt, ist ein Kind«, sagte laut die ältliche Dame Luitgard, Kunigundes ehemalige Amme. »Gebe GOTT, dass er doch noch ihre Bitten erfüllt.«
»Amen«, pflichteten ihr Vater Berchtold und die allermeisten inbrünstig bei. Dann leerte die Gesellschaft ihre Gläser, Becher und Humpen und verließ nach und nach den Saal, um sich zur Nachtruhe zurückzuziehen. Als eine der Ersten war Griseldis gegangen.
Nur der alte Benediktiner saß noch eine Weile allein am Tisch und starrte nachdenklich in die langsam verlöschende Glut im mächtigen Kamin. Mit Erschrecken hatte er den Blick aufgefangen, den Irmintraut ihrer Verwandten zugeworfen hatte, als diese sich mit dem König an ihrer Seite in die Intimität ihres Schlafgemachs zurückzog.
Für den Bruchteil eines Augenblicks hatte er geglaubt, in Frau Irmintrauts Seele blicken zu können. Und was er da erspäht hatte, war keineswegs schwesterliche Zuneigung oder Liebe gewesen. Im Gegenteil, er war Neid, Missgunst, Eifersucht und mörderischem Hass begegnet…
Nur für Sekunden waren diese Gefühle in den Augen der schönen Frau aufgeblitzt und zum ersten Mal hatte ihm die Wahrheit gedämmert, dass die Base selbst ein Auge auf den König geworfen hatte.
›Alles, nur das nicht‹, flehte er stumm. ›Dieses Weib würde alles tun, um ans Ziel seiner Wünsche zu gelangen. Keine Gemeinheit wäre Irmintraut zu groß, keine Intrige zu schmutzig, um ihre königliche Rivalin aus dem Feld zu schlagen. Ich werde künftig die Königin noch besser zu behüten versuchen, damit ihr kein Leid geschieht‹, nahm Berchtold sich vor.
Außerdem würde er versuchen, Kunigunde für die Dienste der Heilerin Griseldis zu erwärmen. Möglicherweise wusste sie tatsächlich, wie die Königin endlich Mutter werden könnte.
Mit diesen Gedanken erhob sich Vater Berchtold schwerfällig. Auch er verließ jetzt müde die Halle, um sein Lager für die Nacht aufzusuchen, während ein paar emsige Diener den großen Raum ausfegten und die Glut im Kamin sorgsam löschten.
KAPITEL 50
B EREITS DER V ERSUCH , sich in böswilliger Absicht dem König mit einem Dolch zu nähern, galt als Mord und damit als todeswürdiges Verbrechen. Ein offensichtlich schwachsinniger junger Mann hatte ausgesagt, dass ihm – ausgerechnet! – der heilige Joseph den Befehl erteilt habe, sich auf den König zu stürzen und ihn mit der Stichwaffe zu durchbohren.
Man hatte den Täter gerade noch rechtzeitig zurückreißen können. Den Anklägern war es nicht gelungen, ihm die Zugehörigkeit zu einer Verschwörerbande nachzuweisen. Auch war weder ein politisches Motiv noch ein persönliches zu erkennen gewesen – höchstens ein recht bizarr religiöses.
Der verhinderte Attentäter sollte nun an einem Frühsommertag des Jahres 1010 in Mainz auf dem Domplatz hingerichtet werden. Ein Priester verlas laut vor den zahlreichen Zuschauern seine Freveltat und kündigte die
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