Die Heilerin des Kaisers
Gesundheitszustandes. Aber der Benediktiner wäre ernstlich beleidigt, wenn er sich dem Zug nicht anschließen dürfte.
»Wenn Ihr mich nicht mitnehmen wollt, Herr, dann gehe ich trotzdem nach Rom – und zwar auf eigene Faust«, hatte er gedroht, aber Heinrich hatte nur lachend den Kopf geschüttelt.
»Ihr werdet begeistert sein von Rom, Frau von Tannhofen«, flüsterte Graf Rüdiger von Lanzheim, ein treuer Gefolgsmann König Heinrichs, seiner Tischdame beim heutigen Fest liebenswürdig ins Ohr.
Der hochgewachsene, schlanke Edelmann mit dem haselnussbraunen Haar, den ebenmäßigen Gesichtszügen und den freundlichen, grauen Augen hatte die Königin heimlich um die Gunst gebeten, neben der schönen, klugen Witwe sitzen und sie bedienen zu dürfen. Gern hatte Kunigunde dem Wunsch Graf Rüdigers entsprochen; und dieser hatte sich im Laufe des Abends Hals über Kopf in die mitten in ihrer Blüte stehende Heilerin verliebt.
Griseldis schlug den Blick nieder, wie es Sitte war für eine anständige Frau, der ein Mann so offen den Hof machte. Aber ihr Herz schlug bis zum Hals hinauf – hatte sie doch gleichfalls Feuer gefangen.
Der Edelmann, noch keine dreißig und damit gut vier Jahre jünger als sie, war seit drei Jahren verwitwet und stand in der Gunst vieler vornehmer Damen. Er gefiel ihr ausnehmend gut. Herr Rüdiger galt als tapferer Kämpe, ohne tollkühn zu sein, und es hieß, er sei mutig, ohne sich zu unüberlegtem Handeln hinreißen zu lassen.
Er hatte eine ähnliche Figur wie Wolfhart von Liebenzell sie gehabt hatte, groß und breitschultrig, aber darüber hinaus war der Graf von Lanzheim ein Gelehrter, der sich vor allem mit Werken der Astronomie, Geographie und Alchemie befasste.
Als Griseldis die Entdeckung gemacht hatte, dass Herr Rüdiger sich auch für Medizin interessierte und noch dazu aus dem Arabischen ins Lateinische zu übersetzen vermochte, da hatte der braunlockige Hüne ihr Herz restlos gewonnen. Den forschenden Blick seiner wachen, grauen Augen fand sie aufregend – besonders wenn er, wie an diesem Abend, zärtlich und fordernd zugleich auf ihr ruhte.
›Wie schön müsste es sein, in seinen Armen zu liegen‹, ging es ihr verlangend durch den Sinn. Allzu lange schon vermisste sie die behutsamen und zugleich erregenden Zärtlichkeiten, aber auch die verzehrende Leidenschaft eines Mannes. Griseldis gestand sich ehrlich ein, dass sie gerne seine Geliebte geworden wäre…
»Wart Ihr denn schon einmal in Rom, Herr Rüdiger?«, stellte sie ihm eine unverfängliche Frage.
»Oh ja! Im Jahr 1009 war ein Aufstand der italischen Bevölkerung gegen die übermütigen Griechen im Süden Italiens ausgebrochen. Die griechischen Herren hatten zwar hohe Steuern eingetrieben, um dann aber ihre italischen Untertanen doch gegen die mächtigen Sarazenen im Stich zu lassen.
König Heinrich hatte damals Truppen gen Süden entsandt, darunter auch mich und meine Lehnsmänner. Es war ein gewaltiger Aufmarsch von Kriegern: Russische Waräger in byzantinischen Diensten und sogar Normannen wurden in die Auseinandersetzung einbezogen. Dennoch behielten die Griechen die Oberhand. Sogar der Abt vom Kloster Monte Cassino musste sich seinerzeit den Herren auf süditalischem Boden unterwerfen«, erinnerte sich Graf Rüdiger von Lanzheim.
»Wie der König mir bereits vorab angekündigt hat, wird er eine Delegation von Edelleuten zum Heiligen Vater vorausschicken, um dort alles für die Krönungsfeierlichkeiten in Rom vorzubereiten«, ließ die Heilerin ihren Tischherrn wissen.
»In einer Woche werde ich mich dieser Gruppe anschließen, um in eben dieses von Euch erwähnte Kloster auf dem Monte Cassino zu gelangen. Dort will ich mich mit den von den Mönchen gesammelten Werken über Medizin befassen und so viel wie möglich kopieren, um die Abschriften später zu Hause in Ruhe niederzuschreiben und mir vor allem ihr Wissen anzueignen. Der König verspricht sich davon vor allem eine Möglichkeit, ihn auf Dauer von seinen schmerzhaften Koliken zu befreien.«
»Edle Dame, welch eine hohe Auszeichnung! Ich freue mich für Euch – einesteils«, der Graf beugte sich zu Griseldis, um ihr tief in die blaugrünen Augen zu sehen, »andernteils, was mich anbetrifft, werde ich sehr betrübt sein, wenn Ihr Bamberg so bald verlasst. Es hätte mich sehr glücklich gemacht, mit Euch das heilige Weihnachtsfest zu begehen.«
Er griff nach ihrer Hand und drückte sie leicht, ehe er sie an seine Lippen führte. Griseldis
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