Die Heilerin des Kaisers
auf dem Rücken zu binden sowie ihn und seine Begleiter mit dem Schwert in Schach zu halten.
»Ihr seid ein wahrer Sohn des Zänkers«, bemerkte der Erzbischof seelenruhig und alle verstanden die Anspielung auf den rabiaten Charakter des einst abgesetzten, inzwischen längst verstorbenen Vaters des jetzigen Baiernherzogs.
Allen Anwesenden war ferner bewusst, dass sich in der Tat der Aufwand dieser Lanze wegen lohnte. Galt sie doch als wundertätige Reliquie und Sieg bringendes Insignium. Mit Gold beschlagen, barg sie immerhin die Nägel vom Kreuze Christi und war einst vor beinahe siebenhundert Jahren durch die heilige Helena an Kaiser Konstantin den Großen gekommen. Darüber hinaus war sie ein Bestandteil des deutschen Thronschatzes.
Heribert von Köln war, wie Heinrich von Baiern, Realist und sah ein, dass er gegen den Herzog im Augenblick nichts ausrichten konnte. Im Geheimen bewunderte er ihn sogar für diese Tat.
»Ich mache Euch einen Vorschlag, Herzog«, wendete er sich nun an ihn, »und ich gehe Euch mein Wort darauf, dass ich, sobald ich in Köln sein werde, als Erstes dafür sorgen will, dass die heilige Lanze Euch übersandt wird. Als Pfand für die Einlösung meines Wortes biete ich Euch meinen Bruder, Bischof Heinrich von Würzburg, als Geisel an.«
Dieser konnte seinen Amtsbruder, Bischof Siegfried von Augsburg, gut leiden und hatte gegen eine bequeme Ehrenhaft im Grunde nichts einzuwenden. So kam der Handel zustande.
Am nächsten Tag setzte der Trauerzug seinen Weg fort. Herzog Heinrich begleitete ihn noch bis Neuburg an der Donau, wo er sich von den Herren verabschiedete. Man trennte sich in frostiger Stimmung. Beinahe erleichtert trat er den Rückweg nach Regensburg an. Der Königsthron schien für Heinrich in weite Ferne gerückt – trotz meines raffinierten Einfalls mit den widerrechtlich angeeigneten Reichsinsignien.
Anfang April 1002 war die Beisetzung Kaiser Ottos III. in Aachen. Die anwesenden Fürsten lehnten Herzog Heinrich von Baiern als König rundweg ab. Die meisten von ihnen bevorzugten Herzog Hermann von Schwaben, einen Oheim Heinrichs. Andere waren für den Sachsen Ekkard von Meißen.
Für den Baiern machten sich eigentlich nur zwei Äbtissinnen stark: die resolute Sophie von Gandersheim und die beherzte Adelheid von Quedlinburg, beides Verwandte Herzog Heinrichs. Diese zwei Frauen bereiteten behutsam und äußerst geschickt das Terrain vor und ein gewisser Gaugraf Hatto versprach den Wahlberechtigten anschließend goldene Berge – das heißt, er arbeitete mit Bestechung.
Und siehe da, auf einmal entschied man sich »mit Christi Hilfe und im Hinblick auf Herrn Heinrichs Erbrecht« für den Kandidaten aus Baiern: Heinrich sollte zur Wahl antreten.
Herr Ekkard aber sah sich und seine Sache noch keineswegs auf verlorenem Posten. Er wollte nun im Westen des Reiches für sich werben und nahm dabei den Weg über Nordheim zur Pfalz nach Pöhlde.
Hier allerdings überfiel ihn eine Räuberbande unter Führung des jungen Grafen von Nordheim und erschlug ihn kurzerhand. Seine Begleiter waren gegen die Rotte der brutalen Strauchdiebe in der Minderzahl gewesen.
Es gab nicht wenige, die hinter vorgehaltener Hand als Drahtzieher des Mordes Heinrich von Baiern ansahen; aber laut werden ließ diesen bösen Verdacht niemand. Der wahre Mörder aber floh in den Osten über die Grenze, um sich seiner gerechten Strafe zu entziehen.
KAPITEL 26
D ER K ÖNIG FÜHLTE sich wieder mal nicht recht wohl in letzter Zeit. Er spürte ständig Anflüge von Kolikschmerzen und ließ sich wiederholt von der Heilerin Griseldis die Hände auflegen. Da er ihrer Diskretion sicher sein konnte, ergab es sich beinahe zwangsläufig, dass sie auch anwesend war, wenn er politische Berater bei sich empfing.
»Dass viele italische Fürstentümer vom Reich abgefallen sind, bin ich keineswegs gewillt hinzunehmen«, erregte sich der König gerade. Sein Kanzler Herr Eberhard sowie Vater Berchtold waren bei dieser Beratung zugegen.
Griseldis wusste, dass der Benediktinermönch seine Schwierigkeiten damit gehabt hatte, dass seine bisherigen Dienste als Chronist, Kanzleivorsteher, Berater und Beichtvater nicht mehr ganz den neuen Anforderungen genügten.
Graf Eberhard, ein frommer, gelehrter, praktisch denkender Mann aus hochadeliger Familie, war vierzig Jahre alt und zudem verwandt mit dem König.
Zu Anfang war der Pater gekränkt gewesen über dessen Berufung, aber der König hatte ihm zu verstehen
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