Die Heilerin des Kaisers
gegeben, dass er, der treue Begleiter und verlässliche Vertraute, stets sein ganz besonderer Intimus bleiben würde.
»Niemand meiner Untergebenen steht mir näher als Ihr, mein lieber Freund«, hatte Heinrich zu ihm gesagt, »und daran wird auch die Berufung Herrn Eberhards nichts ändern.«
Auch Griseldis hatte ihm gut zugeredet: »Seid froh, Vater, vor allem in der kalten Jahreszeit, wenn Ihr nicht ständig zu Pferd im Reich unterwegs sein müsst.«
Berchtold wusste mittlerweile ein prasselndes Kaminfeuer und einen heißen Trunk sowie sein molliges Daunenbett durchaus zu schätzen. Der König musste ständig im Land herumreisen, um an allen Orten nach dem Rechten zu sehen, Streitigkeiten zu schlichten, Gericht zu halten oder Landtage, Fürstentage und kirchliche Synoden abzuhalten. Hielt er sich hingegen in Bamberg oder in der Nähe auf, war Vater Berchtold immer an seiner Seite.
War der König abwesend, hielt Berchtold sich für gewöhnlich an die junge Königin; eine edle und fromme Frau, die viel Gutes tat und sich nicht scheute, Kranke und Gebrechliche in ihren ärmlichen Hütten oder in den Siechenhäusern aufzusuchen, um sie zu trösten und mit dem Nötigsten zu versehen.
Vater Berchtold begleitete sie oftmals auf ihren Wegen in die abgelegenen Dörfer, wobei sie immer einige bewaffnete Knechte mitnahmen, zum Schutz vor Wegelagerern, aber auch vor Wölfen und Bären. Sooft es sich ergab, war auch Griseldis an der Seite der Königin – auf deren ausdrücklichen Wunsch hin, aber auch sehr zum Missfallen der Jungfer Irmintraut.
Frau Kunigunde hätte es gerne gesehen, wenn auch ihre Base sich an dieser gottgefälligen und bitter notwendigen Arbeit beteiligt hätte, aber die hatte mit Samariterdiensten nichts im Sinn. Sie rümpfte nur verächtlich die Nase und meinte:
»Nächstenliebe ist ja sehr lobenswert, liebste Schwester. Aber ich vertrage den jämmerlichen Anblick von Elend nicht. Schon der Geruch der Armut lässt mich speien.«
»Jungfer Griseldis lässt sich davon nicht abhalten«, hatte die Königin verstimmt entgegnet. Der Tadel in ihrer Stimme war dabei nicht zu überhören gewesen.
»Oh, kein Wunder: Der Elendsgestank wird sie an ihr armseliges, dörfliches Zuhause erinnern!« Der giftige Ton der Base war unüberhörbar gewesen.
Jetzt war Frau Kunigunde wirklich erzürnt.
»Und woran gemahnt er wohl mich, deiner Ansicht nach?«, hatte sie mit einiger Schärfe gefragt. Frau Irmintraut war gerade noch rechtzeitig klar geworden, dass es jetzt besser war einzulenken.
»Verzeih, liebste Schwester, ich habe mich wohl ein wenig unglücklich ausgedrückt«, schmeichelte sie. Aber Griseldis war sicher, dass der Groll in ihrem Herzen gegen sie nur noch mehr angewachsen war.
Der Kanzler, ein hoch gewachsener, schlanker und gut aussehender Mann mit wachen, grauen Augen und scharfem Verstand, verneigte sich vor dem Herrscher. Griseldis wusste, ihr hoher Patient würde sie nicht des Raumes verweisen und so zog sie sich nur in eine stille Ecke zurück, um das Gespräch nicht zu stören.
»Mein König, zu allem Unglück sind es nicht nur die Herren im Süden, die nach Kaiser Ottos Tod eine günstige Gelegenheit sahen, das deutsche Joch abzuschütteln. Auch unser Nachbar im Osten, der Polenherzog Boleslaw, erlaubt sich neuerdings wieder Übergriffe, die wir nicht hinnehmen können: Er bedroht jetzt sogar die Stadt Meißen.«
»Zum Glück haben wir Frieden mit Frankreich und ausgezeichnete Beziehungen zu Ungarn«, entgegnete Heinrich, dessen Schwester Gisela man mit Ungarns König, der zwei Jahre jünger als Heinrich war, verheiratet hatte. »König Stephan ist dem Reich und mir wohlgesonnen.«
»Polen allerdings ist ein kritischer Fall, Herr«, mischte sich Vater Berchtold ein. »Jede kriegerische Handlung im Osten unseres Reiches bindet einen Teil des Reichsheeres, das wir im Süden gegen die Aufständischen dringend bräuchten.«
»Ottos Regierungsstil hat das deutsche Königtum leider sehr geschwächt, da er sich nur für das römische Imperium stark gemacht hat«, warf Graf Eberhard ein. »Jetzt gilt es für Euch, verlorenes Gebiet wieder zurückzuerobern.«
Griseldis wusste, dass der König nicht gerne Kritik an seinem verstorbenen Vetter hörte, aber der Kanzler scheute sich nicht, diese bittere Wahrheit auszusprechen. Sie war gespannt, wie Heinrich darauf reagieren würde. Er ging jedoch gar nicht darauf ein.
»Unsere Grenze im Osten ist unmittelbar bedroht, denn unter Herzog Boleslaw, den
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