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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Trauerrede, in der er auf die Jugend des Verstorbenen hinwies. Niemand habe mit seinem Ableben rechnen können – der Kaiser selbst am allerwenigsten – und es sei daher kein Nachfolger ernannt worden.
    Er betonte, dass dieses Versäumnis aber nicht von Bedeutung sei, denn gottlob gäbe es ja einen Verwandten des Kaisers, der zum Glück noch jung sei und mit Mut und Tatkraft alle Schwierigkeiten des Reiches angehen würde. Erfahrung im Regieren, so der Bischof, besäße dieser jedenfalls seit Jahren.
    Ohne dass ein Name gefallen war, wussten alle, auf wen Bischof Siegfried anspielte, und so setzten sie finstere Mienen auf – vor allem Herr Ekkard von Meißen.
     
    Nach der kirchlichen Zeremonie trafen sich die Herren im Hause des Augsburger Bischofs zu einem Trauermahl. Schon während des Mahles war die Stimmung gereizt gewesen.
    Herzog Heinrich hatte alles in seiner Macht Stehende versucht, sich des Rückhalts der Leichenzugteilnehmer zu versichern; sogar an großzügigen Versprechungen hatte er es nicht fehlen lassen.
    Aber genützt hatte es nichts: Nur Bischof Siegfried stand auf seiner Seite.
    Keinem von ihnen war aufgefallen, dass ich vor der Totenmesse im Dom meinem Herrn noch rasch einige Worte zugeflüstert hatte, woraufhin sich dessen düstere Miene sichtlich aufgehellt hatte. Was es gewesen war, sollte die Gefolgschaft nun von ihm erfahren.
    »Die Reichsinsignien, als da sind Krone, Reichsschwert, Zepter und Reichsapfel, habe ich, werte Herren, durch meinen Secretarius, Vater Berchtold, in meine Verwahrung nehmen lassen: Denn da gehören sie hin.
    Ihr wisst, dass nach Erb-und Geblütsrecht der Thron des Königs mir zusteht und ich gedenke, mein Recht zu behaupten, wenn es sein müsste auch mit Gewalt«, erklärte der Baiernherzog, nachdem er seinen silbernen Teller zurückgeschoben hatte.
    Wütende Protestschreie erhoben sich daraufhin im Saal. Die meisten der Herren sprangen von ihren Sitzen auf, fuchtelten mit den Fäusten in der Luft herum und machten Anstalten, dem Herzog zu Leibe zu rücken.
    »Gemeiner Diebstahl!«, »Ungeheuerlicher Frevel!«, »Schande über Heinrich von Baiern!«, schallte es dabei in der Halle des Bischofs.
    Da öffneten sich plötzlich die Saaltüren und etliche Dienstmannen Herrn Siegfrieds stürzten sich mit gezückten Schwertern herein. Schlagartig verhielten sich die Herren ruhig.
    Heribert, der Erzbischof von Köln, war unbeeindruckt am Tisch sitzen geblieben. Nun stand er auf und wandte sich an Heinrich.
    »Herr Heinrich, der Jungenstreich mit den Reichsinsignien mag Euch zwar gelungen sein, aber etwas fehlt Euch dennoch, nämlich das Wichtigste: die heilige Lanze. Dem Mönch Berchtold, Eurem Helfer, ist es nicht gelungen, sie in Gewahrsam zu nehmen und durch Eure Knechte rauben zu lassen.«
    Der Kirchenfürst lächelte triumphierend und fügte hinzu, dass der Baiernherzog, solange er diese nicht in seinem Besitz habe, niemals den Anspruch auf die Königswürde erheben könne.
    In der Halle hatte sich Schweigen ausgebreitet. Herr Heribert nutzte die Aufmerksamkeit der Anwesenden und fuhr fort:
    »In weiser Voraussicht, die GOTT mir eingegeben hat, habe ich, kaum dass wir die Alpen überschritten hatten, die heilige Lanze mit einem Boten vorausgeschickt in mein Erzbistum nach Köln. Dort liegt sie inzwischen sicher verwahrt, bis wir sie dem neuen König überreichen werden.«
    Daraufhin setzten zustimmendes Gemurmel und schlecht verhohlener Jubel ein. Die Herren applaudierten dem listigen Erzbischof, der es geschafft hatte, dem ihrer Ansicht nach hochmütigen Baiern ein Schnippchen zu schlagen.
     
    Griseldis biss sich vor Anspannung auf die Lippen. Wie mag es dem Herzog nur gelungen sein, aus dieser Falle wieder herauszufinden?, fragte sie sich. Doch der Benediktiner ließ nicht lange auf sich warten und erzählte ihr wieder einmal mehr von der Kühnheit und dem Mut ihres Herrn.
     
    Als im Saal wieder Ruhe eingekehrt war, ergriff Herzog Heinrich geistesgegenwärtig das Wort:
    »Daran habt Ihr wohlgetan, Erzbischof. Und um die Übergabe der heiligen Lanze an den rechtmäßigen König etwas zu beschleunigen, verhänge ich hiermit Schutzhaft über Euch, bis das Kleinod sicher in meinen Händen gelandet ist. Bischof Siegfried wird Euch so lange in Gewahrsam nehmen.«
     
    Die Ankündigung des Herzogs schlug ein wie ein Blitz und da keiner der Gäste Herrn Siegfrieds bewaffnet war, war es zweien von den Augsburger Knechten ein Leichtes, dem Kölner Kirchenfürsten die Hände

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