Die Heilerin des Kaisers
meines Vaters vorgesehen. Dass der damalige mächtige Herzog von Baiern ausgerechnet mich erwählt hat, kommt mir heute noch wie ein Wunder vor.«
»Aber nicht doch, Kunigunde«, wehrte Irmintraut ab, »wozu diese Bescheidenheit? Bei Eurer Schönheit und Klugheit musste es zwangsläufig so kommen, dass Ihr einem ganz hohen Herrn ins Auge fielet.«
›Sie schmiert Kunigunde ordentlich Honig um den Mund‹, dachte Griseldis verstimmt, ›und glaubt, jeder Mensch höre gerne Komplimente, ja selbst Heilige seien nicht gefeit gegen Eitelkeiten. Irmintraut will auf keinen Fall, dass ihre königliche Base Verdacht gegen sie schöpft. So ein dummer Vorfall wie heute Vormittag darf sich auf keinen Fall wiederholen, sonst würde womöglich sogar die unbedarfte Kunigunde misstrauisch werden.‹
Auf dem Ritt nach der Stadt Quedlinburg, wo sich das Königspaar zur Feier des diesjährigen Osterfestes treffen wollte, hatten sie des lahmenden Pferdes der Königin wegen kurz vor Erreichen ihres Endzieles eine Rast einlegen müssen.
Frau Kunigunde lagerte mit ihren Hofdamen im Schatten eines riesigen Eichbaums und ließ sich einen mit viel Wasser vermischten Becher Wein reichen. Dazu knabberte sie ein wenig Gebäck und wartete auf den Bericht des Rittmeisters über die Fußverletzung ihrer Lieblingsstute Stella.
Griseldis hatte sich ein wenig abseits der Damenschar im dichten Gras niedergesetzt und so sah sie als Erste eine ältere Frau mit langen, schwarzen Haaren, durchsetzt mit weißen Strähnen. Sie hatte Reisig in der Nähe gesammelt und trat nun neugierig an die Gruppe der vornehmen Edeldamen in seidenen Gewändern und pelzgefütterten Umhängen heran, um sie in Augenschein zu nehmen.
Als das Weib bei der freundlich lächelnden Königin angekommen war, ließ es sein Reisigbündel zur Erde gleiten und vollführte einen Knicks vor der Herrscherin.
»Guten Tag wünsche ich Euch, Frau Kunigunde, und gesegnete Ostertage mit Eurem Gemahl, König Heinrich.«
»Ich danke dir, gute Frau«, nickte die Königin und schien ehrlich erfreut zu sein. »Kann ich irgendetwas für dich tun?«
»Nein, Herrin«, antwortete die ärmlich gekleidete Frau, deren Teint dunkel war, aber deren Haltung und Profil eine vornehmere Abkunft andeuteten. »Vielen Dank. Aber vielleicht kann ich etwas für Euch tun!«
Gespannt hatte Griseldis die Szene unter dem Baum verfolgt.
»Und das wäre, liebe Frau?«, begehrte Kunigunde zu wissen.
»Ich könnte Euch die Zukunft aus Eurer Hand weissagen, wenn Ihr das wollt, hohe Frau«, erbot sich die Reisigsammlerin.
Bei diesen Worten war Griseldis unwillkürlich aufgestanden und näher an das Geschehen herangetreten. Sie spürte, dass diese unverhoffte Begegnung interessant zu werden versprach.
»Das ist gut, liebste Base«, mischte sich Frau Irmintraut ein. »Ihr braucht ja nicht daran zu glauben, aber so ein bisschen Spaß ist immer recht kurzweilig. Und wer weiß, womöglich stimmt ja doch, was Euch die Alte prophezeit. Sie wird nicht wagen, Euch gar zu Schlechtes vorauszusagen, aus Angst, Ihr könntet verstimmt sein.
Das wäre wiederum schlecht für ihr Geschäft: Diese Art Weiber erwartet nämlich ein größeres Geldgeschenk von Euch«, fügte sie geringschätzig hinzu. Griseldis entging nicht, wie die fremde Frau bei diesen Worten zusammenzuckte.
»Nun gut.« Kunigunde klang überzeugt und wandte sich von Irmintraut ab. »So verrate mir die Zukunft. Aber zuerst will ich deinen Namen wissen, weise Frau.«
»Man nennt mich Estefania, Herrin. Ich komme von weit her, von Konstantinopel, wohin man mich einst als junge Sklavin verkauft hat. Ursprünglich stamme ich jedoch aus Athen. Mein Herr hat mich schließlich nach Deutschland mitgenommen und nach dreißig Jahren treuer Dienste freigelassen.«
»Du siehst in der Tat wie eine Griechin aus.« Die Königin blickte die Seherin wohlwollend an. »So sage mir nun, was du in meiner Hand lesen kannst, Estefania.«
Kunigunde reichte der Freigelassenen ihre Rechte, welche die Griechin ehrerbietig ergriff und küsste. Griseldis beobachtete mit Ungeduld, wie die schwarzen Augen der Frau auf den Handlinien der Königin verweilten.
»Ich liebe und verehre Euch, hohe Herrin, deshalb bedauere ich besonders, dass ich Euch durchaus nicht nur Gutes vorhersagen kann.«
Die Reisigsammlerin warf einen finsteren Blick auf Frau Irmintraut, die sich dicht neben der Königin niedergelassen hatte.
»Ein Geschenk erwarte ich übrigens keineswegs«, sagte sie dann
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