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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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unsägliche Griseldis aufgefordert hatte, an der Jagd teilzunehmen.
    »Mein Gefolge muss sich endlich daran gewöhnen, dass eine Frau mein Medicus, oder vielmehr meine Medica, ist«, hatte Heinrich gesagt. »Und das geschieht am besten, wenn man sie so oft wie möglich an meiner Seite sieht.«
    Griseldis hatte ihr Unbehagen an dieser Art des Vergnügens für sich behalten, um den König nicht zu verärgern. Sie selbst, so hatte sie sich vorgenommen, würde sich aber keinesfalls am Töten unschuldiger Wildtiere beteiligen.
    Die Jagd hatte allerdings noch gar nicht richtig begonnen – mit Hunden und Speeren wollte man dieses Mal dem Hirsch zu Leibe rücken –, als ein schweres Unwetter die königliche Gesellschaft zwang, in einem bäuerlichen Gehöft Unterschlupf zu suchen vor den geradezu sintflutartigen Regenmassen, die sich auf das Land ergossen.
    Im Dorf nannten es die Leute ehrfurchtsvoll »die Casa«, denn das Haus des Dorfältesten war beinahe herrschaftlich zu nennen. Es gehörten immerhin gut zwölf Hektar fruchtbaren Ackerlandes sowie ein ansehnlicher Besitz an Wiesen und Wald dazu.
    Gemütlich war sie, die geräumige Behausung, solide und warm, mit kompakten Wänden aus dicken Eichenbalken; im Gegensatz zu den Hütten der übrigen Bauern, deren Wände aus einem einfachen, mit Lehm verfugten Lattengerüst, gedeckt mit Grassoden, bestanden.
    Auf der Herdstelle, die sich wie seit uralten Zeiten üblich im Zentrum des Hauses befand, loderte ein großes Feuer – zu Anfang Oktober war es abends oft schon empfindlich kalt – und der Rauch war bestrebt, durch die darüberliegende Öffnung im mit Stroh gedeckten Dach in den spätnachmittäglichen Himmel zu steigen.
    Jedoch drückten von oben die enormen Wassermassen dagegen. So wand der Qualm sich mühsam am First entlang, wurde am Rand des Strohdaches auf den Erdboden gedrückt, während ein Teil des Rauchs sich wieder zurück ins Innere des Hauses verzog und die Bewohner zum Husten reizte.
    Zum Glück ließ der Regen allmählich nach und der Qualm konnte wieder abziehen.
    Herr Gerold, ein Baron und Lehnsmann des Bischofs von Würzburg, war gekleidet wie ein Bauer mit Beinkleidern bis zum Knie, der »Bruoch« aus grobem, braun gefärbtem Leinen, einem kragenlosen Hemd mit bauschigen Ärmeln und einer grauen Weste ohne Ärmel aus grob gestrickter Wolle. Dazu trug er weiße, aus Schafwolle gestrickte Strümpfe sowie aus der römischen Besatzungszeit übernommene Schnürstiefel aus gegerbter Schweinshaut, sogenannte Aestivale. Gegürtet war er mit einem breiten Rindsledergürtel, an dem in einer Lederscheide ein Dolch befestigt war.
    Griseldis fühlte sich an ihren Vater Frowein erinnert, wenn Herr Gerold auch um vieles jünger war…
    Die Gewandung von Germund, seinem Vater, erwies sich hingegen um einiges eleganter. Bei ihrem Eintritt in die Wohnhalle hatte der alte Mann auf der Bank nahe der Feuerstelle gesessen und in einem großen Buch auf seinen Knien geblättert. Die Pergamentseiten waren vergilbt, wie der König rasch festgestellt hatte. Das Buch war in Holz gebunden, geschmückt mit zierlichen Einlegearbeiten aus verschiedenfarbigen Hölzern und Elfenbein.
    Es handelte sich um eine kostbare Abschrift der Bibel und mochte zu den wertvollsten Schätzen dieses Hauswesens gehören. Im Allgemeinen besaßen nur der Klerus und der hohe Adel ein Exemplar der Heiligen Schrift.
    Als Herr Gerold dem König seinen Vater vorstellte, erhob der Alte sich steif. Man konnte sein kostbares Wams aus Otterfell über seinem fein gefältelten Leinenhemd mit der Stickerei an Kragen und Ärmelbündchen erkennen. Auch die Beinkleider des Familienpatriarchen waren aus edlerem Stoff als die seines Sohnes gefertigt und die rötlich eingefärbten Kalbslederstiefel glänzten blank poliert.
    Trotz seines Alters ließ Herr Germund sich auf ein Knie nieder und küsste die Hand des Königs.
    »Willkommen unter unserem Dach, König Heinrich. Mein Sohn Gerold und ich fühlen uns hoch geehrt über Eure Anwesenheit, Herr. Wir danken GOTT dem HERRN aufrichtig dafür, dass er uns das Unwetter geschickt hat und wir Euch Obdach bieten können. Ihr sollt uns Glück bringen, Herr! Gerade heute, wo meine Schwiegertochter Hiltrude in Kindsnöten liegt.«
    Heinrich entbot Gruß und Dank und reichte dem alten Mann hilfreich eine Hand, um ihm wieder aufzuhelfen. Herr Germund rief hierauf auch Heinrichs Begleitern einen herzlichen Willkommensgruß zu.
    Herr Gerold, sein Sohn, nötigte die reichlich

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