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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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verboten waren.
    In der Kürze der Zeit wollte ihr jedoch einfach nichts Vernünftiges einfallen; der Angriff war gar zu überraschend erfolgt.
    Mit einer gewissen Bewunderung sah sie daher, dass Gerlinde sich diesem Weib, das ihr offenbar übel wollte, mit einem Lächeln zuwandte. Dann sagte sie dieser seelenruhig ins Gesicht:
    »Du bist eine brave, bibelfeste Frau und du hast völlig recht, Teudelinde, was die Leiden der werdenden Mutter angeht. Aber das giftige Bilsenkraut, welches GOTT zweifelsohne ebenso wie alle anderen Pflanzen auf der Erde erschaffen hat, kann den Geburtsschmerz gar nicht wegnehmen, sondern nur lindern. Man darf ja nicht viel davon verabreichen, wegen der Gefahr einer tödlichen Vergiftung; und auch das hat GOTT so eingerichtet, wie du sicher weißt.« Sie machte eine kunstvolle Pause.
    »Aber dem neuen Leben, das mit Macht ins Dasein drängt, erleichtert es den Weg ans Licht, wenn seine Mutter sich nicht mehr so stark verkrampft. Und in der Heiligen Schrift steht nichts darüber, dass die Neugeborenen verflucht sind und leiden sollen, wenn sie auf die Welt kommen, oder?«
    Teudelinde nickte widerwillig.
    »Ich danke dir trotzdem für deine Aufmerksamkeit, liebste Gevatterin. Aber ich denke, du kannst jetzt beruhigt sein, dass alles seine Richtigkeit hat« fügte Frau Gerlinde scheinheilig hinzu. »Wenn du nun so liebenswürdig wärst und Frau Hiltrude bei der nächsten Wehe bei den Schultern nehmen und festhalten könntest, damit sie nicht vom Gebärstuhl kippt?«
    Die Geburtshelferin hatte diese gefährliche Klippe elegant umschifft, wie Griseldis mit Befriedigung und Anerkennung feststellte. ›Sollte ich jemals in die gleiche Lage kommen, werde ich mich genauso verteidigen. Nirgends ist man so leicht in der Kritik wie bei einer Entbindung.‹
    Früher war das anders gewesen; das wusste sie von Muhme Bertrada. Da waren die Hebammen geachtete und hoch angesehene Frauen. Heute dagegen mussten sie häufig um ihre Ehre und ihre Freiheit kämpfen, seitdem die Kirche sich immer mehr in dieses Handwerk einmischte.
    Das gesamte Fruchtwasser war inzwischen abgegangen und in eine unter dem Gebärstuhl stehende kleine Wanne geflossen. Eine neuerliche Woge des Schmerzes überflutete die Kreißende, aber es war auszuhalten – dank des hilfreichen Bilsenkrauts.
    Frau Hiltrude biss die Zähne auf das mehrfach gefaltete Tuch, das ihr die Wehmutter zwischen die Zähne geschoben hatte. Sie lehnte sich dann ganz weit zurück und stemmte die weit gespreizten Beine mit den Fersen gegen ein für diesen Zweck angebrachtes Brett, während ihre beiden Hände die Armlehnen des Gebärstuhls mit aller Kraft umklammerten. Sie presste, so stark sie es vermochte, im selben Rhythmus wie die Austreibungswehen.
    »Gut macht Ihr das, Frau Hiltrude«, rief die vor ihr auf einem Schemel sitzende Hebamme. »Und noch einmal kräftig drücken; und noch einmal, und wieder. Ja, ja, gut, sehr gut macht Ihr das. Das Köpfchen des Kleinen kommt schon, presst noch einmal! Gut so.«
    Griseldis wusste, jetzt kam das Schwierigste für die Hebamme. Frau Gerlinde griff vorsichtig in den geweiteten Geburtskanal und bekam mit ihrer mit Arnikasalbe eingefetteten Hand den noch weichen Schädel des Kindes zu fassen.
    Er durfte sich nicht wieder in den Schoß der Mutter zurückziehen. Behutsam, aber dennoch kraftvoll zog die Wehmutter an dem winzigen Körperchen, voller Fingerspitzengefühl und mit großer Sanftheit, um die noch biegsamen Knochen und weichen Knorpel, Sehnen und Muskeln des zarten Halses und der Wirbelsäule des Säuglings nicht zu beschädigen.
    Die Heilerin wusste, wie viele Krüppel sich aus Gründen der Ungeschicklichkeit von Geburtshelferinnen ihr Leben lang quälen mussten.
    Das Kindchen hatte dichte, rotblonde Haare wie seine Mutter. Die Hebamme hatte es mit aller gebotenen Sorgfalt leicht gedreht und es erschien erst die linke, dann die rechte Schulter des Neugeborenen; ein letzter, etwas energischerer Ruck und der nasse, mit Sekreten verschmierte Körper eines wohlgeformten Knaben glitt der Wehmutter in die Hände.
     
     

KAPITEL 34
     
    »I HR HABT MIT GOTTES und auch meiner Hilfe sowie der Unterstützung aller hier versammelten Frauen einen wunderschönen Sohn geboren, Frau Hiltrude«, beglückwünschte Frau Gerlinde die stolze Frau, die nun gänzlich erschöpft in den Kissen lag.
    Ganz allmählich entspannte sie sich, lächelte zufrieden und verlangte nach ihrem Bübchen.
    »Sofort, Liebe«, rief eine der

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