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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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schnell zugeflüstert. Griseldis hatte beschlossen, sich nur als stille Zuschauerin in dem Gemach aufzuhalten. Womöglich konnte sie noch etwas dabei lernen…
    »Nein, Roswitha«, erklärte Frau Gerlinde gerade einer noch sehr jungen Frau geduldig. »Mohnsaft bekommt die junge Mutter erst hinterher, vermischt mit Wasser und ein wenig Wein. Jetzt würde das Gebräu sie einschläfern. Und wie sollte sie dann bei den Wehen mitpressen, bitte schön?«
    Die Frauen im Gebärzimmer kicherten und Griseldis musste schmunzeln.
    »Aber gegen die allerschlimmsten Schmerzen werde ich ihr nun etwas verabreichen; dann wird die Austreibung ein wenig leichter für sie und vor allem schneller vonstatten gehen.«
    Frau Gerlinde holte aus einem Leinensäckchen ein Bündelchen getrockneter, stark riechender Kräuter hervor. Es waren winzige, gelbe Blüten mit roter Äderung. Davon tat sie eine Handvoll in einen irdenen Mörser, bearbeitete das Kraut geschwind mit einem steinernen Stößel und zerrieb es dabei zu einem feinen Pulver.
    Griseldis hatte das Kraut natürlich sofort erkannt und beglückwünschte im Stillen die werdende Mutter zu ihrer verständigen Wehmutter.
    Wegen des stechenden Geruchs, der sich im Raum verbreitete, rümpften einige der Helferinnen die Nase, aber Frau Gerlinde ließ sich nicht beirren, schüttete das Pulver in einen Becher mit ein wenig Wein und verabreichte die Mischung der Kreißenden, die mittlerweile mit entblößten Schenkeln auf dem Gebärstuhl saß.
    »Trinkt das, meine Liebe«, sagte die Geburtshelferin wohlwollend. »Die Wehen haben Euch doch sehr geschwächt. Dieses Mittel wird den Schmerz zwar nicht völlig nehmen, aber doch stark vermindern. So wird es einfacher sein, dem Kind seinen Weg auf diese Welt zu erleichtern.«
    »Worum handelt es sich denn dabei?«, wollte eine der umstehenden, jüngeren Frauen wissen und wischte dabei Frau Hiltrude mit einem feuchten Schwamm den Schweiß vom Gesicht.
    »Das riecht man doch«, gab eine andere ältere Frau mit missbilligender Miene zur Antwort. »Das ist hochgiftiges Bilsenkraut und für Frauen in Kindsnöten streng verboten.«
    »Was faselst du denn da, Teudelinde?«, fuhr die Wehmutter ärgerlich auf. »Möchtest du vielleicht andeuten, dass ich Frau Hiltrude vergiften will?«
    »Nein, das sicher nicht. Aber trotzdem versündigst du dich gegen GOTT«, wandte die Kritikerin ein und verkniff ihren faltigen Mund mit den schmalen Lippen noch mehr.
    Griseldis erstarrte förmlich.
    »Bist du verrückt geworden, Teudelinde, oder was ist in dich gefahren?«, mischte sich nun eine weitere Helferin aus dem Dorf ein. Jene aber richtete ihren missgünstigen Blick auf die Gebärende und deklamierte salbungsvoll:
    »In der Heiligen Schrift steht: ›Zum Weibe aber sprach GOTT der HERR: Viel Mühsal bereite ich dir, wenn du gesegneten Leibes bist. Unter Schmerzen sollst du deine Kinder gebären.‹ Also ist eine solche Medizin verwerflich, weil sie dem Willen GOTTES entgegenwirkt. Eine werdende Mutter muss den Schmerz in Demut erdulden.«
    Triumphierend richtete sie ihre kleinen, boshaften Augen auf die Hebamme. Die Frauen im Raum waren alle ganz still geworden, so eingeschüchtert, ja erschrocken, waren sie. Stimmte das tatsächlich?
    Griseldis überlegte blitzschnell.
    Frau Gerlinde war eine erfahrene, kluge Frau. Wenn sie jetzt nicht energisch dem Gerede entgegentrat, verbreitete sich das Geschwätz über verbotene Mittel im Ort. Ehe sie es sich versah, erfuhren es der Dorfpriester und dann womöglich der Bischof.
    Dann müsste sie den geistlichen Herren Rede und Antwort stehen. Es dünkte jedoch Griseldis mehr als fraglich, dass die Wehmutter einem Streitgespräch über Bibelzitate gewachsen war. Obwohl eine weise Frau, wäre sie den theologisch geschulten Geistlichen allemal weit unterlegen. Womöglich unterstellte man ihr sündhafte Praktiken – Griseldis wusste, Hebammen waren immer gefährdet – und Gerlinde müsste ihr Gewerbe aufgeben, das Dorf verlassen und für ihren Lebensunterhalt betteln gehen, wenn nicht gar noch Schlimmeres mit ihr passierte.
    Die Heilerin zermarterte sich das Hirn, um der gefährlichen Kritikerin eine entsprechende Antwort zu erteilen. Sie selbst hatte das Bilsenkraut natürlich auch schon angewandt; jedoch nur in winzigen Dosen, denn das Gewächs war tatsächlich sehr giftig. In keinem Fall würde sie tatenlos zusehen, wie Frau Gerlinde als Wehmutter angeprangert wurde, weil diese zu Mitteln gegriffen hatte, die von der Kirche

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