Die Heilerin des Kaisers
einzuhalten, war ihm niemals schwer gefallen. Er war sein Leben lang anspruchslos gewesen. Die Güter der Welt stellten für ihn keine Verlockung dar.
Wie aber stand es mit der Keuschheit?
Mit der Anzahl der Lebensjahre, die der HERR ihm schenkte, war das Verlangen seines Fleisches so ziemlich abgeebbt. Die Wollust quälte ihn längst nicht mehr so schlimm, wie es in seiner Jugend der Fall gewesen war.
Damals hatte er ein junges Weib nur anzusehen brauchen und schon fing er an, dummes Zeug zu stottern, weil das Blut aus seinem Gehirn sich zurückgezogen hatte in untere Leibesregionen. Eine peinliche Tatsache, die ihm manches Mal Verdruss bereitet hatte.
Einige Male war er sogar schwach geworden und hatte den Verlockungen der Fleischeslust nachgegeben. Zu seiner Ehrenrettung konnte höchstens vorgebracht werden, dass der Anstoß zur Sünde stets von den Frauen ausgegangen war: Sie hatten das junge Mönchlein regelrecht überrumpelt.
Aber der alte Benediktiner war ehrlich gegen sich selbst und wusste, dass er nur allzu bereit gewesen war, der Versuchung nachzugeben. Aber jedes Mal hatte er seine Verfehlungen umgehend gebeichtet und seine Schwäche bitter bereut.
Seine jetzige Zuneigung hingegen, die er für die schöne Medica seines Herrn empfand, war lauterste, väterliche Liebe. Er genoss es einfach, sich in ihrer Gegenwart aufzuhalten. Und die Tatsache, dass die junge Frau ihn des Öfteren um Rat fragte, erfüllte ihn mit nicht geringem Stolz.
Griseldis war seit Beginn ihres gemeinsamen Lebens mit Meister Konrad geradezu aufgeblüht. Sie war noch schöner geworden, wenn man auch nicht genau hätte sagen können, was sich im Einzelnen an ihr verändert hatte.
»Eure Augen strahlen noch mehr als früher und Euer herrliches, rotgoldenes Haar leuchtet beinahe wie die Sonne«, hatte neulich die Königin festgestellt, als Griseldis im Kreise der Hofdamen saß und zusammen mit einem Edelfräulein an einer Altardecke stickte.
Alle Damen hatten daraufhin wohlwollend ihre Blicke auf die Frau des Baumeisters gerichtet, der, wie jedermann wusste, die allerhöchste Protektion des Königs genoss. Einzig Frau Irmintraut hatte höhnisch ihren Mund verzogen und ließ sich halblaut zu der abfälligen Bemerkung hinreißen:
»Kein Wunder, dass jemand strahlt, der direkt vom Kuhstall in einen königlichen Haushalt gelangt ist.«
Frau Kunigunde hatte ihre Verwandte strafend angesehen und unwillig ihr blondes Haupt geschüttelt. »Hütet endlich Eure spitze Zunge, Schwester! Ich hatte Euch bereits mehrmals darum gebeten. Weshalb seid Ihr nur so missgünstig gegen Frau Griseldis? Ich wüsste nicht, womit sie Euren Unmut verdient haben sollte.«
»Ei, Frau Irmintraut, ich war immer der Meinung, Ihr selbst hättet eine gewisse Vorliebe für Ställe. Sollte sich das seit Neuestem geändert haben?«
Vater Berchtold, der wie gewöhnlich der Königin und ihren Hofdamen einen Besuch in der Kemenate abstattete, hatte diese Bemerkung mit funkelnden Augen an die Base Kunigundes gerichtet.
Irmintraut war daraufhin erblasst – hatte sie die Anspielung des Mönches doch sehr wohl verstanden. Jeder am Hof, mit Ausnahme der Königin, kannte ihr Faible für kernige Stallburschen. Aber rasch hatte das dreiste Frauenzimmer sich wieder gefangen.
»Ich verstehe absolut nicht, wovon Ihr zu sprechen beliebt, Pater«, erwiderte sie kühl. »Es ist doch wohl verständlich, dass ich gelegentlich nach meinem Reitpferd sehe, ob die Knechte es auch gut versorgen. Es ist ein sehr wertvolles Tier. Was also sollte daran ungewöhnlich sein?«
Ehe der Mönch ihr darauf eine Antwort geben konnte, hatte die Königin ihre Verwandte zu sich gerufen. Irmintraut sollte ihr helfen, ein Wäschestück zusammenzulegen, das Frau Kunigunde mit einer Spitze gesäumt hatte. So schluckte Vater Berchtold seinen giftigen Kommentar hinunter.
›Vielleicht ist es besser so‹, dachte Griseldis im Stillen, indem sie den Mönch für sein Dazwischentreten dankbar anlächelte. Sie kannte die Königin mittlerweile und wusste gut, wie ungnädig sie auf Kritik an ihrer »lieben Schwester« zu reagieren pflegte. Vater Berchtold war kurz davor gewesen, sich ernsthaft den Unwillen der Herrscherin zuzuziehen. Griseldis wusste auch, worauf er angespielt hatte.
Unter den Dienstboten hatte sich nämlich wie ein Lauffeuer verbreitet, dass der gute Pater eines frühen Morgens Frau Irmintraut in einer sehr eindeutigen Situation mit einem der jungen Pferdeknechte in einer dunklen Ecke
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