Die Heilerin des Sultans
abrupt in der Bewegung inne
und gab ihm mit einem Knurren zu verstehen, sich auf den Bauch zu
drehen. Als Falk nicht gleich begriff, was von ihm erwartet wurde,
half der Hüne mit einem rohen Griff und einem unverständlichen
Fluch nach. Kurz darauf spürte der junge Mann, wie sich der
kalte Stahl gegen seine Handgelenke legte. Wollte man ihn erst an
Deck bringen, bevor man ihn tötete?, fragte er sich, als seine
Fesseln zu Boden fielen. Oder stand ihm etwas anderes bevor? Nachdem
der Seemann auch seine Beine befreit hatte, stellte er ihn unsanft
auf die Füße, die allerdings so gefühllos waren, dass
Falk auf der Stelle wieder in die Knie sackte. Mit einer weiteren
Verwünschung, bückte sich der Hüne nach ihm und warf
ihn über die Schulter wie einen Sack Mehl. Nachdem er seinen
Spießgesellen etwas zugerufen hatte, wandte er sich der
schmalen Leiter zu, die er trotz der Last geschickt erklomm. An Bord
angekommen ließ er Falk am Fuß des Mastes zu Boden
gleiten und verschwand ein weiteres Mal im Bauch der Kogge. Verstört
beobachtete der Junge, wie nach und nach weitere Gefangene nach oben
geschafft wurden, die ebenso unzeremoniös abgeladen wurden wie
er selbst. Während das Blut unter Stechen und Kribbeln den Weg
zurück in seine Hände und Füße fand, fragte er
sich, was die Piraten mit ihm und den anderen Burschen vorhatten –
denn es waren ausschließlich bartlose Knaben, die wie er im
Schatten des Mastes kauerten. Schaudernd betrachtete er die
muskelbepackten Seeleute, deren harte, ausdruckslose Gesichter nicht
die geringste Hoffnung auf Schonung zuließen. Wohingegen einige
von ihnen schmutzige Turbane um die Köpfe gewickelt hatten,
trugen andere eindeutig westliche Kopfbedeckungen, die aus aller
Herren Länder zusammengewürfelt schienen. Als nach einer
Weile auch der letzte Pirat wieder an Deck war, wurden die Luken
erneut mit Ketten verschlossen und ein breitschultriger Kerl mit
einer ungepflegten Mähne baute sich vor den Jungen auf.
»Versteht ihr mich?«, fragte er in einem erstaunlich
gehobenen Italienisch, das auch Falk mühelos begriff. Da jeder
einzelne der sieben Angesprochenen schüchtern nickte, fuhr er
ohne Umschweife fort: »Ihr taugt für die Armee des
Sultans. Deshalb wird es euch an nichts fehlen.« Sein Blick
wanderte zu der Rah über ihren Köpfen. »Wer einen
Fluchtversuch unternimmt, wird dort oben aufgehängt«,
drohte er grimmig, bevor er auf das Bugkastell deutete. »Das
ist für den Rest der Reise eure Unterkunft. Ihr bekommt zu essen
und zu trinken, so viel ihr wollt. Je besser euer Zustand, desto mehr
Geld kann ich für euch verlangen.«
Ein
hässliches Grinsen teilte seine Lippen. »Ihr seid mehr
wert als dieses Schiff. Zwingt mich also nicht dazu, euch zu
bestrafen!« Er stieß einen gellenden Pfiff aus und winkte
zwei seiner Männer zu sich, denen er bedeutete, die Knaben
fortzuschaffen. »Man sagt übrigens, der Sultan ließe
jeden seiner Sklaven entmannen«, schickte er den Gefangenen
hinterher und bleckte die Zähne als wolle er den Jungen
bedeuten, dass der Sultan die betreffenden Körperteile
höchstpersönlich abbiss. »Vielleicht könnt ihr
euch ja während der Fahrt schon mal an den Gedanken gewöhnen!«
Das wiehernde Lachen bereitete Falk Übelkeit, die durch die
anzüglichen Blicke der Besatzung noch verstärkt wurde.
»Herr errette mich«, flüsterte er und zog den Kopf
ein, als einer der Männer sie in die Kajüte stieß.
Diese, versehen mit Schießscharten für die
Armbrustschützen, schien für den Aufenthalt der Knaben
vorbereitet worden, da eine Anzahl Strohsäcke über den
Boden verteilt war. In einer Ecke standen einige Nachttöpfe –
ein Umstand, der Falk seltsam erleichterte. Während die anderen
Burschen noch wild durcheinander brabbelten, griff er sich eines der
Gefäße und leerte seine übervolle Blase. Dann kniete
er sich vor einen Eimer mit Frischwasser und trank gierig aus der
hölzernen Kelle, bis sich sein Durst allmählich legte. Ein
schlaksiger Junge, der etwa in seinem Alter war, tat es ihm nach
einer Weile gleich und bemerkte dann in klarem Italienisch: »Man
sagt, die Ungläubigen beten den Teufel an.« Er warf sich
auf einen der Strohsäcke und sah zu Falk auf. »Sie tanzen
nachts bei Vollmond und opfern ihm die Herzen ihrer Feinde«,
ergänzte er und schlug ein Kreuz, um den Leibhaftigen
abzuwehren, der durch bloße Erwähnung herbeigelockt werden
konnte. »Woher weißt du das?«, fragte Falk und
kniete sich neben ihn. »Das
Weitere Kostenlose Bücher