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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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das kann ich nicht genau sehen.« Olivera versteifte
sich, da sie spürte, dass die junge Frau ihr etwas verschwieg.
»Was noch?«, setzte sie der Griechin zu, auf deren
blasser Stirn sich allmählich Schweißperlen bildeten. Als
sie nicht antwortete, schnellte Olivera nach vorn und packte sie an
den Schultern, um sie zu schütteln. »Ich werde dich
auspeitschen lassen, wenn du es mir nicht sagst!«, fauchte sie.
»Oder ich sage meinem Gemahl, dass er dich an die Reiter
verschenken soll.« Der Kiefer des Mädchens bebte. Aber
erst als Olivera Anstalten machte, das Tuch zu heben und den Trägern
etwas zuzurufen, gab es seinen Widerstand auf. »Ich sehe, dass
Ihr ein Kind in Euch tragt«, flüsterte es. »Einen
Sohn, der Euch viel bedeutet.« Olivera ließ den Stoff
fallen und rückte näher an die Sklavin. »Hat mein
Sohn eine leuchtende Zukunft vor sich?«, wisperte sie und
zuckte zusammen, als die junge Frau mit einem Schluchzen den Kopf
schüttelte. »Nein«, presste sie unter Tränen
hervor und griff erneut nach Oliveras plötzlich ebenfalls
eiskalter Hand. »Euer Sohn wird durch sein eigen Fleisch und
Blut den Tod finden!«

Kapitel 43
     
    Bursa,
Hochsommer 1400
     
    War es das,
was man als Ironie des Schicksals bezeichnete? Tiefe Falten gruben
sich in Sapphiras Stirn, als sie die immer noch blutigen Verbände
vom Rücken der Patientin löste. Die lastende Hitze des
Hochsommers lag erstickend über dem Palast, und selbst das Grün
der Pflanzen hatte inzwischen einen dunklen Schlammton angenommen.
Ein Schweißtropfen löste sich aus ihrem Haar und rann
langsam ihre Schläfe entlang. Da ihre Hände mit der
Verwundeten beschäftigt waren, schüttelte sie den Kopf, um
zu verhindern, dass das Salz ihre ohnehin brennenden Augen weiter
reizte. Wenn doch nur endlich Abkühlung käme!, dachte sie
und tauchte den Schwamm erneut in das Gemisch aus Rotwein und
Olivenöl- Amurca, mit dem sie die tiefen Wunden der Jariye säuberte. Als sie das Netzwerk von klaffenden Striemen
berührte, bäumte sich die junge Frau unter ihr auf und grub
die Zähne in das Kissen – wie sie es jedes Mal tat, seit
sie vor drei Tagen blutig und bis auf die Knochen gegeißelt ins
Hospital gebracht worden war. Auch wenn ein Teil von Sapphira
frohlockt hatte, da die Verräterin ihrer gerechten Strafe
zugeführt worden war, hatte sie der Versuchung widerstanden, der
taubstummen Sklavin mehr Schmerzen zuzufügen als nötig.
Denn dann wäre sie kein Deut besser gewesen als die Jariye .
Erbarmungslos hatte der von der Valide angewiesene Eunuch die
junge Frau dafür gezüchtigt, dass sich die Sultansmutter
ihretwegen vor ihren Untertanen eine Blöße gegeben hatte.
Und noch immer hallte das grässliche Klatschen der Peitsche in
Sapphiras Gedanken nach – unheimlich verstärkt, da den
Schlägen keine Schreie gefolgt waren. Sie fuhr mit der
Zungenspitze über ihre trockenen Lippen und tupfte den Eiter aus
einer Wunde. Wer hat dich beauftragt?, dachte sie zornig. Die stummen
Tränen der Jariye benetzten ihre entstellte Wange, und
entgegen der Abneigung, die Sapphira für sie empfand, stieg
Mitleid in ihr auf. Wäre sein Gesicht nicht durch eine hässliche
Narbe verunziert, wäre das Mädchen eine Schönheit. So
allerdings hatte es nicht dazu getaugt, in den höheren Dienst
aufgenommen zu werden, was dazu geführt hatte, dass man ihm
sowohl die Zunge als auch das Gehör geraubt hatte. Dadurch
konnte die Sklavin überall im Palast ein und aus gehen, ohne die
Geheimnisse der Valide oder der Gemahlinnen des Sultans
weiterzutragen. Sapphira verzog das Gesicht, als ein dünner
Schorf unter dem Druck ihrer Hand nachgab und einen Schwall Eiter
ausspie. Selbst wenn die junge Frau Lippen lesen konnte wie die
meisten taubstummen Dienerinnen, war sie nicht dazu in der Lage, ihr
Wissen aus Versehen auszuplaudern.
        Wenn
sie doch nur irgendwie erfahren könnte, wer hinter der
heimtückischen Intrige steckte! Ein weiteres Mal tränkte
Sapphira den Schwamm und presste ihn auf den Rücken der Jariye. So viele Fragen, aber keine einzige Antwort. Warum hatte es so lange
gedauert, bis die Sklavin Gülbahar beschuldigt hatte? Sie zog
hastig die Hand zurück, als sich ihre Patientin erneut
versteifte. Inzwischen war sie sicher, dass es sich bei der
unsichtbaren Beobachterin in dem kleinen Gärtchen um die Jariye gehandelt haben musste. Doch
warum hatte diese mit ihrem Verrat so lange gewartet? Die Erklärung,
welche die Freundin gehabt hatte, klang einleuchtend, aber

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