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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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traf sie
auch zu? »Ich habe die Börk nur ein einziges Mal im
Dormitorium vergessen«, hatte Gülbahar zerknirscht
gestanden. »Und ausgerechnet an dem Tag musste diese dumme Gans sie finden!« Hatte das Mädchen
jeden Tag die Schlafplätze durchsucht, da es nicht wusste, wen
es beobachtet hatte und wann diejenige sich verraten würde? Die
unterschwellige Angst, die sich bei Gülbahars Festnahme in
Sapphiras Brust eingenistet hatte, war zwar inzwischen verschwunden.
Allerdings gab sie sich keinen Augenblick der irrigen Annahme hin,
dass sie sich in Sicherheit wiegen konnte. Wer auch immer die
Gegnerin im Hintergrund war, sie würde gewiss eine neue Helferin
finden. Ihre Miene verdüsterte sich, als sie daran dachte, wie
leicht Gülbahar die Folgen ihres Tuns nahm. »Stört es
dich denn gar nicht, dass die Valide dich vom Unterricht
ausgeschlossen hat?«, hatte sie die Gefährtin gefragt.
Woraufhin diese lediglich die Schultern gezuckt und erwidert hatte:
»Alles, was für mich zählt ist, dass ich Andor
wiedersehe.« Ihr Blick war sehnsüchtig in die Ferne
geschweift. »Vielleicht gelingt es uns irgendwann zu fliehen.«
Die Unvernunft der Freundin brachte Sapphira immer noch zum
Kopfschütteln. Wie konnte Gülbahar nur die Ehre, Bayezid
dienen zu dürfen, gegen eine unbedeutende Schwärmerei
eintauschen? Gegen die belanglose Zuwendung eines einfachen
Janitscharen?! Sie rümpfte die Nase. Sie selbst würde
jedenfalls nicht zulassen, dass ihr jemand die Möglichkeit
verbaute, doch noch die Gunst des Padischahs zu gewinnen. Irgendwann würde
es ihr gelingen, seine Aufmerksamkeit zu erregen! Und dann würde
sie in die höchsten Kreise des Harems aufsteigen. Die Stimme der Tabibe beförderte
sie unsanft zurück in die Realität: »Cennet kann für
dich weitermachen. Ich brauche dich im Arzneilager. Die neuen
Militärsklaven kommen heute an, und es ist nicht mehr genug
Salbe zur Wundbehandlung da.« Ihre grünen Augen funkelten
amüsiert. »Unser neuer Hekim ist sicherlich ein Meister
der Worte, aber ich gehe ihm lieber zur Hand. Sonst ist es abzusehen,
dass das Darüssifa in
den nächsten Tagen mit jungen Männern überschwemmt
wird, die an einer Stelle behandelt werden müssen, die gänzlich
unschicklich ist.«

    *******

    Es war
beinahe etwas wie Erleichterung, das Falk ergriff, als endlich die
abweisenden Mauern eines Palastes vor ihnen auftauchten. Hinter spitz
aufragenden Türmen erhob sich im Süden die blaue Wand eines
Höhenzuges, über dem weiße Wolkenberge emporquollen.
Die Straße, die auf das mächtige Tor zuführte, wirkte
ausgestorben, und auch die Fensterluken der Hütten und Häuser
glotzten leer und verwaist in den aufgewirbelten Staub. Dieser
verwischte die Umrisse der Dattelpalmen, Pfirsichbäume, Kiefern
und Zypressen, die zum Teil schlaff die Äste hängen ließen.
Doch wenigstens wurde der Zug nicht länger von dem ekelhaften
Gestank der Schwefelquellen begleitet, die Falk mit bodenloser Furcht
erfüllt hatten. »Glaubst du mir jetzt?«, hatte
Antonio gefragt und auf die Erdspalten gezeigt, aus denen schwelender
Qualm aufgestiegen war. »Wenn das nicht ein Zeichen dafür
ist, dass die Geschichten wahr sind, was dann?« Darauf hatte
Falk keine Antwort gewusst. »Zentauren, Dämonen und der
Teufel selbst hausen dort«, hatte Antonio furchtsam geflüstert
und war zusammengefahren, als eine der Quellen eine Dampfschwade
ausgespuckt hatte. »Wer dorthin verbannt wird, leidet
unendliche Qualen!« Noch immer wollte Falk nicht glauben, was
der Venezianer ihm einzureden versuchte; und je mehr der faulige
Gestank verblasste, desto weniger bedrohlich schien die ansonsten
grüne Landschaft. War die Hölle nicht ein gewaltiger
Trichter im Boden? Und musste man nicht erst den Fluss Acheron
überqueren, um die Höllenkreise zu erreichen, in denen die
Sünder entsprechend ihrer Vergehen grausam gepeinigt wurden?
»Heißt es nicht, dass die Leiber in einem Blutstrom
gekocht werden?«, hatte Antonio hinzugesetzt und sich
verstohlen umgeblickt. »Vielleicht ist das gar nicht wörtlich
gemeint.« Einige angsterfüllte Augenblicke war Falk seinem
Gedankengang gefolgt und hatte die leuchtend roten Uniformen als
böses Zeichen gesehen. Doch dann hatte sich das Licht der Sonne
in einem kuppelförmigen Dach gefangen, und allein der strahlende
Glanz hatte genügt, um Falks Ängste zu beruhigen.
Sicherlich war die Hölle ein Ort der Dunkelheit und der
Verzweiflung. Wie konnte es dann sein, dass der Palast, auf den

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