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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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dieses
Schriftstück genauso wenig anfechten wie ich. Aber bevor ich
zulasse, dass Otto von Katzenstein auch nur einen einzigen rostigen
Nagel erbt, werde ich den Grafen von Württemberg oder den Grafen
von Helfenstein in Kenntnis setzen.« Hans Kun schnappte nach
Luft, als Lutz sich zu seiner vollen Größe aufrichtete und
ihn ansah als sei er ein verstocktes Kind. » Warum sich diese beiden für
das Erbe Eures Neffen interessieren sollten, geht Euch nichts an!
Wenn weder Falks Vater noch Falks Mutter es für richtig hielten,
Euch einzuweihen, dann werde ich es ganz gewiss auch nicht tun!«
Um ein Haar hätte er lauthals gelacht, als sich die Wangen des
Baumeisters mit einem satten Rot überzogen. »Wie könnt
Ihr es wagen?!«, zischte dieser, außer sich vor Empörung.
»So hat bisher noch niemand mit mir geredet!« »Dann
wird es allerhöchste Zeit«, erwiderte Lutz ungerührt.
»Ihr seid arrogant und tut genau das, was Ihr Falks Vater
vorwerft. Ihr lasst Euch von Euren Gefühlen leiten.«
        Der
Schlag saß, da Hans Kun unversehens in sich zusammensackte, als
habe ihm jemand einen Tritt in die Magengrube versetzt. »Wenn
Euer Hass auf seinen Vater Euch nicht den Blick getrübt hätte,
hättet Ihr erkennen müssen, wie viel Talent der Junge
besitzt.« Er machte Anstalten, sich abzuwenden, doch etwas
musste er noch loswerden. »Ihr solltet Euch schämen. Wenn
Ihr Falks Vater so sehr verachtet habt, dann sollte Euch auch sein
Geld zuwider sein!« Damit machte er auf dem Absatz kehrt und
ließ den schäumenden Steinmetz stehen. »Ihr werdet
noch von mir hören!«, schickte Hans Kun ihm hinterher.
Doch auch wenn er sich noch so sehr anstrengte, eine Drohung in die
dünne Stimme zu legen, machte er keinen Eindruck auf Lutz.
Ärgerlich über sich selbst, trat er einen trockenen
Dreckklumpen zur Seite und stürmte zurück ins Haus, in dem
eine angenehme Kühle herrschte. Ich hätte mich nicht so
gehen lassen sollen!, dachte er mürrisch. Aber gleichzeitig
stieg etwas Ähnliches wie Zufriedenheit in ihm auf. Es war
allerhöchste Zeit gewesen, dass jemand diesem aufgeplusterten
Hans Kun die Leviten las! Wäre dieser Sturkopf nicht so
engstirnig gewesen, dann wäre Falk niemals auf die wahnwitzige
Idee gekommen, in den Orient zu reisen! Er trat in die Stube und ließ
sich müde auf einen Schemel fallen. Oder es wäre zumindest
leichter gewesen, ihn davon abzuhalten. Mit einem Seufzen stemmte er
die Ellenbogen auf die Knie und stützte das Kinn in die Hände.
Egal, was Otto von Katzenstein behauptete, er wusste, dass Falk noch
am Leben war. Er wusste es einfach! Eine grün schillernde
Schmeißfliege versuchte vergeblich, durch die kleinen bunten
Glasscheiben ins Freie zu gelangen. Ob es dem Jungen irgendwo genauso
ging? Die Fliege verschwamm vor seinen Augen. Wenn er ihm doch nur
helfen könnte! Eine lange Zeit saß er einfach nur da und
ließ zu, dass sich der Schmerz über andere Verluste zu
seiner Trauer um Falk gesellte. Die Schatten längten sich
bereits, als er schwerfällig zurück auf die Beine kam und
einen Entschluss fasste. Wenn er Falk schon nicht helfen konnte, dann
würde er wenigstens dafür sorgen, dass ihn niemand um sein
Erbe betrog. Und wenn es das Letzte war, das er in seinem Leben tat,
er würde die Aasfresser zurückschlagen, bis er entweder
starb oder Falk zurückkehrte.

Kapitel 50
     
    Bursa,
Spätherbst 1400
     
    Fröstelnd
rieb Sapphira die kalten Hände aneinander und zog das Wolltuch
um ihren Kopf enger. Seit der Sommer dem Herbst gewichen war, waren
die Temperaturen stetig gesunken, und es war morgens empfindlich
kühl. Erst wenn die schwachen Strahlen der Sonne den Weg durch
den dichten Nebel fanden, erwärmte sich die Luft so weit, dass
auch die Vögel es wagten, die Köpfe aus dem Gefieder zu
ziehen. Seit Beginn des Monats Rabi-ul-Awwal rollten dichte
Wolken über das Uludağ-Gebirge ins Flachland, die an
manchen Tagen sintflutartigen Regen brachten. Sie hob die Augen zum
Himmel, um nach Anzeichen für besseres Wetter zu suchen, aber
wie befürchtet hing das triste Grau auch heute wie ein Totentuch
über der Stadt. Selbst die bunten Kacheln und das goldene Dach
der Moschee wirkten stumpf und farblos. Während sie über
den gepflasterten Innenhof huschte, fegte der kalte Wind die
vertrockneten Blätter der Bäume und Büsche um ihre
Beine, und sie suchte eilig Schutz in einem der Säulengänge.
Auch dort tanzten Laub und Schmutz in kleinen Wirbeln durcheinander,
die sich teils in den

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