Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
griff nach einem Schwamm, um die Wunde zu
säubern. »Wenn so etwas noch einmal vorkommt, werde ich es
dem Kapi Agha melden«,
fauchte sie. »Und jetzt solltet Ihr Euch um die Soldaten
kümmern«, setzte sie eisig hinzu. Die Feindseligkeit in
ihrem Nacken hätte sie beinahe den Kopf einziehen lassen. Aber
ein einziges Zeichen der Schwäche würde genügen, dass
der Hekim ihr
die Zähne in die Kehle grub und sie zerfetzte wie ein wildes
Tier.

Kapitel 77
     
    Bursa,
Frühjahr 1402
     
    Der Brief
begann ohne Anrede: » Damaskus ist in unseren Händen,
genau wie Bagdad, das die Einheimischen das Geschenk Gottes nennen.
Allah beschirmt die Streitmacht Timurs, des Eisernen – kein
Sterblicher kann sich ihm entgegenstellen.
        Verräter
sind nach Bursa geflohen, um sich feige bei Euch zu verkriechen.
Gewährt Ihr ihnen Unterschlupf, zieht Ihr den Zorn Gottes auf
Euch. Schlagt sie in Ketten und schickt sie nach Bagdad. Ansonsten
werdet Ihr das Schicksal der Feigen teilen.«
     
    Auch die
Unterschrift fehlte, und allein das genügte, um Bayezid eine
Verwünschung ausstoßen zu lassen, die den versammelten
Diwan scharf einatmen ließ. Seit er zu Beginn des Winters den
Befehl zur Mobilmachung in die Provinzen geschickt hatte, hatte sich
der Hagel der Beleidigungen verschärft; und er dankte seiner
Weitsicht, dass er für den nicht mehr zu vermeidenden
Zusammenstoß mit Timur schon bald gerüstet sein würde. Zu durchsichtig waren die Drohungen, zu eindeutig die
Berichte seiner Spione. Der Fall der beiden Städte Damaskus und
Bagdad, die scharenweise an Timurs Hof strömenden europäischen
Abgesandten und die Würdenträger, denen Bayezid tatsächlich
Unterschlupf gewährte – all diese Faktoren konnten
letztendlich nur zu einem führen: der entscheidenden
Schlacht zwischen den beiden islamischen Kriegsherren. »Geduld
ist die Tugend der Verzagten!«, hatte der Sultan dem Großwesir
Ali Pasha an den Kopf geworfen, als dieser und die übrigen
Wesire ihn von dem Schritt hatten abhalten wollen, den er schon
längst hätte tun sollen. Wäre er Timur in den Rücken
gefallen, als dieser mit der Belagerung von Damaskus beschäftigt
war, dann wären jetzt nicht all seine bisherigen Eroberungen in
Gefahr. Was geschehen würde, wenn seine Truppen auf dem Balkan
und in Griechenland nicht mehr für Ordnung sorgten, erbitterte
ihn. Aber sobald Timurs Streitmacht ausgelöscht war, würde
er seine Herrschaft im Westen erneut festigen – wie eine Welle,
die sich aufs Meer zurückzog, um mit neuer Kraft gegen die
Klippen zu branden. Er warf einen Blick in die Runde und sah in
besorgte Gesichter. Beschwichtigung und Verhandlungen, das war es,
was diese Schwächlinge ihm rieten. Unterwerfung des Tataren und
seiner Gefolgsleute, das war es, was Bayezid anstrebte.
        »Wie
weit sind die Vorbereitungen in Scutarion?«, wandte er sich an
einen der Aghas ,
dem die Stadt am Bosporus unterstand. Dieser erhob sich, berührte
Brust, Mund und Stirn mit den Fingerspitzen und neigte den Kopf. »In
einigen Wochen sind die Einheiten vollständig. Zwanzigtausend
Fußsoldaten und fünftausend Lehensreiter sind bereits
versammelt.« Gut, dachte Bayezid und versank einen Moment im
Grübeln. Dass die Vorbereitungen noch eine ganze Weile dauern
würden, machte ihn unruhig. Aber wenn das Unterfangen ein Erfolg
werden sollte, musste er sich an die Tradition halten. Und diese sah
vor, dass Feldzüge dieser Größe im Winter und
Frühjahr geplant und erst im Sommer unternommen wurden. Vorräte
mussten gesammelt und vorausgeschickt, Straßen befestigt und
hölzerne Brücken zusammengezimmert werden, um ohne
Hindernisse das Ziel zu erreichen. Auch musste die Bevölkerung
gewarnt werden, um sich – falls nötig – in
Sicherheit bringen zu können. Bei einem Kriegszug von solchem
Ausmaß und solcher Wichtigkeit durfte keine noch so winzige
Einzelheit außer Betracht gelassen werden. Wenngleich es noch
viel zu besprechen gab, beschloss er, die Versammlung aufzuheben. Für
langweilige Kostenaufstellungen war nun wahrlich noch genug Zeit!
Umschwärmt von Höflingen und Dienern machte er sich auf den
Rückweg in den Nordflügel des Palastes, wo er sich in seine
Privatgemächer zurückzog. Als er auf einen der Prunkbalkone
trat, um das hohle Gefühl in seinem Inneren mit der würzigen
Frühlingsluft zu vertreiben, fiel sein Blick auf das Dach des
Hospitals. Ein hässlicher Vogel ließ sich auf einer der
Kuppeln nieder, verrichtete sein Geschäft und erhob sich

Weitere Kostenlose Bücher