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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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sie ihm mit, als die Wunde verbunden war. »Schick einen
der Pagen«, brummte er, da es ihm widerstrebte, sie schon
wieder gehen zu lassen. Er klatschte in die Hände. Kaum hatte
sie dem Knaben, der daraufhin erschien, gesagt, was sie benötigte,
stob dieser davon. Während seiner Abwesenheit, fühlte die Tabibe seinen
Puls, betastete seinen Hals und vermied es, seinem Blick zu begegnen.
Die dichten Wimpern malten Schatten auf ihre Wangen, und es kribbelte
ihm in den Fingerspitzen, sie zu berühren. Ob ihr Körper
immer noch so straff und geschmeidig war wie zu jener Zeit im Hamam ?
Er fragte sich, welcher Teufel ihn geritten hatte, das blonde Mädchen
zu wählen, das sich als eine solche Enttäuschung
herausgestellt hatte. Vielleicht war es Kismet - ein Zeichen - dass er ihr auf diese Weise wiederbegegnete. Die
Rückkehr des Pagen unterbrach seine Gedanken. Nachdem sie auf
einer kleinen, tragbaren Waage die Zutaten abgewogen hatte, mischte
die Tabibe einen
stark riechenden Trank, den sie unter den Wein rührte. »Ich
werde Euch mehr davon bringen lassen«, sagte sie und reichte
ihm das Gefäß. »Trinkt das vor dem Schlafengehen und
die Träume werden schon bald verblassen«, versprach sie
und verneigte sich. Wenngleich er sie am liebsten bei sich behalten
hätte, gewann der Wunsch nach innerem Frieden endgültig die
Oberhand, und er leerte den Becher in einem Zug. Zwar würde die
Nacht erst in einigen Stunden hereinbrechen, aber er sehnte sich nach
Ruhe. Wenn das Mittel der Heilerin half, würde er sich dankbar
erweisen. Vielleicht anders als sie dachte, aber das spielte keine
Rolle. Bereits nach wenigen Atemzügen spürte er, wie sich
sein Herzschlag beruhigte und seine Lider schwer wurden. »Das
hoffe ich, bei Allah. Das
hoffe ich«, flüsterte er und lehnte sich zurück.

    *******

    Als sich
seine Augen geschlossen hatten, griff Sapphira nach ihrer Tasche und
stahl sich auf Zehenspitzen zur Tür. Da sie noch immer seine
bedrohliche Gegenwart spürte, zog sie die Schultern hoch –
als könne sie der Gefahr dadurch entgehen. Wie damals, als der
Sultan an Cheiragra – an Gicht – erkrankt war,
erkannte Sapphira hinter der polierten Fassade das gemeine, grausame
und rachsüchtige Wesen, vor dem sie sich mit jeder Faser ihres
Seins fürchtete. Der goldene Glanz, der ihn in der Vergangenheit
umgeben hatte, schien ein für alle Mal verloren – ersetzt
durch den ihr inzwischen wohlbekannten, roten Farbeindruck. So leise
wie möglich schlüpfte sie aus dem Gemach und zog den
Schleier zurück vor ihr Gesicht. Obgleich die Blicke der
Leibgarde Löcher in ihren Rücken zu brennen schienen, zwang
sie sich, den langen Korridor ohne Eile entlangzugehen. Aber kaum
hatte sie den Hof erreicht, raffte sie die Röcke und eilte Hals
über Kopf zurück zum Hospital. Dort angekommen machte sie
sich auf den Weg ins Arzneilager, um so schnell wie möglich mehr
von dem Schlafmittel anzusetzen, das sie Bayezid in den Wein gemischt
hatte. Bilsenkraut, Myrrhe und Mohn, das waren die Zutaten, die –
vom Alkohol verstärkt – dafür sorgen würden,
dass er schlief wie ein Toter. Da ihre Hände immer noch leicht
zitterten, verschüttete sie einiges von dem kostbaren Mohnsaft,
doch mit jedem Griff kehrte etwas mehr Ruhe zurück. Sie musste
ihren Kopf zusammennehmen! Nachdem sie den Trank in ein kleines
Fläschchen abgefüllt hatte, goss sie die restliche
Flüssigkeit in ein zweites Gefäß, das in den Falten
ihrer Entari verschwand. Sie lächelte freudlos. Wie gut,
dass sie selbst Erfahrung damit hatte, wie man eine kranke Seele zwar
nicht heilen, aber wenigstens betäuben konnte! Sie rief eine Cariyesi herbei und trug ihr auf, das Schlafmittel in den
Palast zu bringen. Dann schloss sie die Tür und lehnte sich eine
Zeit lang mit dem Rücken dagegen, um ihre Gedanken zu ordnen.
        Der
Ausdruck in den Augen des Sultans hatte ihr nicht gefallen. Anders
als vor scheinbar endlos langer Zeit weckte die Lust in seinem Blick
nicht mehr das Verlangen in ihr, ihm zu Gefallen zu sein. Im
Gegensatz zu früher erschien ihr seine Aufmerksamkeit nicht mehr
als Geschenk, sondern als Strafe. Sie lehnte den Kopf gegen das Holz
und starrte an die Decke. Wenn es ihr doch nur irgendwie gelingen
würde, Falk eine Nachricht zukommen zu lassen! Beinahe neun
Monate war es her, dass sie ihn das letzte Mal aus der Nähe
gesehen hatte; dass sie seine Lippen auf den ihren gespürt und
seinen Herzschlag mit der Hand ertastet hatte. Die Sehnsucht nach

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