Die Heilerin des Sultans
halb
Bewusstlosen und kehrte zu Sapphira zurück. »Sie hat
mehrere Geschwüre in ihrem Bauch«, erklärte sie mit
gedämpfter Stimme. »Ich werde dir zeigen, wie man einen
Saft aus Mohn, Hanf, Mandragora und Bilsenkraut mischt, mit dem ihre
Qual gelindert werden kann.« Sie wandte sich Sapphiras Harnglas
zu. »Diese junge Frau hat Glück«, beschied sie.
»Ihre Eingeweide sind krank, aber es ist nichts Ernstes. Ein
Brei aus drei Teilen Fisch und einem Teil ihres eigenen Urins zwei
Mal am Tag sollte sie heilen.« Und das alles hat sie aus dem
Harn gelesen?, wunderte sich Sapphira, die vermutlich tagelang in die
Flüssigkeit hätte starren können, ohne eine Erkenntnis
zu gewinnen. Da die Tabibe sich jedoch bereits wieder
auf dem Weg zum Arzneilager befand, hastete sie dieser hinterher und
machte sich augenblicklich an die Arbeit, sobald eine Hilfskraft den
Fisch aus der Küche herbeigeschafft hatte.
In
die Aufgabe versunken befolgte sie die Anweisungen der Ärztin , notierte Mengen und
Mischverhältnisse in einem kleinen Wachstafelbuch und zerstieß
die Zutaten in ihrem Mörser zu einem sämigen Brei. Diesen
ließ sie eine halbe Stunde lang über einer kleinen Flamme
köcheln, während die Heilerin auf einer kleinen Bronzewaage
Mohn und Mandragora abwog. Das Bilsenkraut und den Hanf fischte sie
aus einem irdenen Gefäß, und nachdem Sapphira sich
eingeprägt hatte, wie viel von jedem Bestandteil der Trank
benötigte, fuhr sie damit fort, diesen anzurühren. »Ich
lasse dich jetzt allein«, verkündete die Ärztin.
»Wenn du fertig bist, flöße der alten Frau das
Schmerzmittel ein. Die andere kann ihren Brei alleine löffeln.«
Bevor Sapphira etwas erwidern konnte, war sie verschwunden und das
Mädchen war mit dem überwältigenden Duftgemisch
alleine. Nachdem sie ihre Arbeit beendet hatte, räumte sie die
Zutaten zurück an ihren Platz. Als sie sich nach einem Stück
Hanf bückte, fiel ihr langer, geflochtener Zopf über die
Schulter nach vorn. Und sie gefror mit einem entsetzten Aufkeuchen in
der Bewegung. Verräterisch funkelnd blitzte ein goldenes Band
zwischen den schwarzen Strähnen hervor. Nach einer
Schrecksekunde zerrte sie mit zitternden Händen daran, bis es
leise raschelnd auf den Boden segelte. Als handle es sich um ein
giftiges Reptil, starrte sie einige Lidschläge lang darauf
hinab, bevor sie es fahrig vor Furcht in die Tasche ihrer Entari stopfte. Einige Zeit lang
verharrte sie wie gelähmt – die bebenden Hände
ineinander verschlungen – während ihre Einbildung ihr
vorgaukelte, dass das goldene Band sich durch den Stoff des blauen
Obergewandes fraß. Wie war ein Schmuckstück der Valide in ihr Haar gelangt? Ein
Verdacht ließ ihr Blut erkalten. Mit rasendem Herzen löste
sie die verschlungenen Flechten und kämmte sie mit fliegenden
Fingern durch, bis sie schließlich zerzaust und schwer atmend
die Arme sinken ließ. Nachdem sie einige Momente lang Luft
geschöpft hatte, schlang sie die Strähnen nachlässig
wieder ineinander – sicher dass sich kein weiteres goldenes
Bändchen darin verbarg. »Mein Gott«, murmelte sie
fassungslos. Wenn man sie damit ertappt hätte, dann wäre
sie ohne viel Federlesens als Diebin verurteilt und bestraft worden.
Sie erschauderte, als die Einbildung mit ihr durchging. Beinahe
spürte sie die kalte Klinge des Richters auf ihrem Handgelenk,
als dieser Maß nahm, bevor er ihr die Hand abtrennte. Die
feinen Härchen auf ihren Unterarmen richteten sich auf. Jemand
musste ihr den Schmuck ins Haar gesteckt haben, während sie
nicht aufgepasst hatte. Die Warnung der Tabibe kam ihr in Erinnerung, und
mit einem Mal schien ein eisiger Hauch durch den Raum zu wehen. Hatte
eine der anderen Frauen trotz aller Vorsicht von ihrer Gabe erfahren?
Oder hatte sie eine Feindin unter ihren Mitschülerinnen?
Kapitel 14
Bursa,
Frühsommer 1400
Bayezid
lachte dröhnend. »Was für ein Narr!«, spuckte
er abfällig aus und warf das zweite Schreiben Timur Lenks in die
Flammen des Kamins. Obwohl an diesem Tag eine beinahe niederdrückende
Hitze herrschte, hatte er den Pagen befohlen, das Feuer zu entzünden,
da es dem riesigen Audienzsaal etwas Erhabenes verlieh. Nachdem er
den Boten des tatarischen Khans beleidigend lange vor sich auf dem
Boden hatte kauern lassen, hatte er ihn schließlich unter
Androhung von Gewalt davongejagt, ohne das Schreiben seines Herrn zu
beantworten. Sollte Timur doch warten, bis er schwarz wurde! »Was
haltet Ihr davon, Ali Pasha?«, fragte
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