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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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dieselbe Richtung wie die beiden Reiter. Die silbernen
Blätter der uralten Pappeln raschelten in einer leichten Brise,
die sich allerdings zerstreute, bevor sie den Reisenden Kühlung
bringen konnte. Immer wieder überholten Falk und Otto einzelne
Fuhrwerke, schwer bewaffnete Eskorten oder Wanderer, doch bisher
hatte sie niemand behelligt. Ob und wann sie wohl dem ersten
Wegelagerer begegnen würden?, fragte sich der junge Mann und
griff sich instinktiv an die Brust. Dort, eingenäht im Futter
seiner Schecke, ruhte die Bankauskunft, die einen Überfall
sinnlos machte. Ohne seine Unterschrift und die des Bancherius in Venedig war das Schriftstück wertlos, und somit nicht von
Interesse für die raubenden und plündernden Adeligen,
welche in diesem Teil des Landes angeblich ihr Unwesen trieben. Falk
warf seinem Onkel einen verstohlenen Blick zu und war beruhigt, das
Schwert an seiner Seite baumeln zu sehen. Wer sagte denn, dass die
Räuber sie nicht auch für vier Pferde und etwas Proviant
erschlagen würden? Immerhin waren die Tiere auch so Einiges
wert. »Sei kein Tor«, hatte Lutz ihn ermahnt. »Wenn
du das Vollblut reitest, ziehst du den Ärger an wie die Sünde
den Teufel.« Bei dem Gedanken an seinen Verwalter verzog der
junge Mann das Gesicht. Wenngleich ihm klar war, was der Grund für
die handgreifliche Auseinandersetzung mit Otto gewesen war, konnte er
Lutz nicht gestatten, sich aufzuführen, als ob Falk noch ein
unmündiger Knabe wäre. Deshalb hatte er ihn bestimmt und
unmissverständlich in die Schranken gewiesen, und der Abschied
im Morgengrauen war kurz und kühl gewesen. Er griff die Zügel
nach, als sein Apfelschimmel vor einem plötzlich auftauchenden
Eichhörnchen zurückschreckte.
        »Wie
kann ich dir nur begreiflich machen, dass er dich ausnutzt?«,
hatte Lutz gestöhnt, nachdem sich die Wogen wegen der Prügelei
mit Otto ein wenig geglättet hatten. »Warum willst du
nicht begreifen, dass du sehenden Auges in eine Falle rennst?«
Weil es keine Falle sein konnte, und er nicht halb so dumm und
unerfahren war wie Lutz anscheinend annahm!, dachte Falk und
verdrängte das mulmige Gefühl, das sich ab und zu
einschlich, wenn er zu sehr über die Warnung nachdachte. Warum
sollte Otto ihn hintergehen wollen? Hatte er nicht von sich aus
angeboten, ihm einen Teil seiner Ländereien zu überschreiben
– im Gegenzug für die 100 Gulden, welche Falk ihm am Ende
der Reise leihen würde? Sicherlich, er wusste nicht allzu viel
über den Katzensteiner und hatte auch beschlossen, diesem einige
Fragen auf der langen Reise zu stellen. Doch das Misstrauen, das Lutz
in seiner Seele gesät hatte, reichte nicht aus, um das
Schlimmste von dem Ritter zu denken. Zwar hatte Otto unauffällig
versucht, ihn von den – in seinen Augen übertriebenen –
Vorsichtsmaßnahmen abzubringen; als Falk allerdings nicht
gleich auf seinen Vorschlag eingegangen war, hatte er das Thema
fallen lassen wie eine heiße Kastanie. Das Kreischen eines
Eichelhähers lenkte ihn für einen Moment ab, doch als sich
der Vogel auf einen gefiederten Eindringling stürzte, erging er
sich beruhigt weiter in seinen Überlegungen. Vermutlich war es
ein kluger Zug gewesen, Otto das Geld nicht in bar auszuhändigen,
denn eine solch gewaltige Summe konnte unter Umständen auch eine
reine Seele beflecken. Aber wenn man seinem eigenen Onkel nicht mehr
vertrauen konnte, wem dann? Eine am Horizont auftauchende Zollstation
ließ ihn die Zweifel vergessen. Bereits von Weitem sichtbar
versperrte eine rot-weiß gestrichene Schranke den Weg, und eine
Schlange von Fußgängern, Reitern und Karren verriet, dass
die Abfertigung nicht gerade schnell vonstatten ging. »So
verpassen wir die Mude ganz
sicher«, murmelte er, doch Otto hatte sich bereits von seiner
Seite gelöst und trabte auf die bewaffneten Zolleintreiber zu.
Den zornigen Protest der Händler ignorierend, deutete er auf
Falk, zog etwas aus der Tasche und drückte es einem der Kerle in
die behandschuhte Rechte. Daraufhin stieß er einen Pfiff aus
und winkte seinen Neffen zu sich. »Beeil dich«, rief er
ihm zu, als Falk sich durch die schimpfende Menge drängte. Kaum
hatte er zu seinem Onkel aufgeschlossen, hob sich die hölzerne
Schranke und die beiden klapperten in aller Seelenruhe über die
leicht schwankende Holzbrücke. »Ein paar Pfennige an der
richtigen Stelle, sind Gold wert«, bemerkte Otto und lachte
über seinen eigenen Witz. »Da wir keine Handelswaren mit
uns führen, ist mit uns kein

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