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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Geschäft zu machen«,
erklärte er, da Falk ihn verständnislos ansah. »Der
einzige Profit, der von Reisenden zu erwarten ist, ist die kleine
Bestechungsgebühr, die einen an den Kopf der Schlange bringt.«
        Zufrieden,
ohne Verzögerung weiterzukommen, trieb Falk sein Reittier wieder
zu einem gemächlichen Trab an und genoss den leichten Windhauch,
der von Westen her aufkam. Eine Zeit lang ritten sie schweigend
nebeneinander her, bevor Otto erneut das Wort ergriff: »Du hast
dich sicherlich gefragt, warum ich dich nicht schon früher
aufgesucht habe.« Das hatte Falk in der Tat. Da er seinen
Verwandten allerdings nicht vor den Kopf stoßen wollte, zuckte
er wortlos die Schultern. »Ich kannte deinen Vater eigentlich
gar nicht«, begann Otto. »Er hat Katzenstein nur ein
einziges Mal besucht, als ich kaum drei Jahre alt war.« Der
Schmerz in Falks Herz flammte kurz auf, um sich jedoch sofort darauf
wieder an den verborgenen Ort in seinem Inneren zurückzuziehen,
an den er ihn verbannt hatte. Seit er den Entschluss gefasst hatte,
die lange Reise zu unternehmen, war die Trauer um seine Eltern ein
wenig abgeflaut – beinahe als habe die Aufregung sie verdrängt.
»Alles, was ich über ihn weiß, hat dein Großvater
mir erzählt«, erklärte Otto weiter. »Und von
deiner Existenz war nie die Rede. Wäre ich dir nicht zufällig
auf dem Pferdemarkt begegnet, wüsste ich bis heute nichts von
dir.« Das leuchtete Falk ein. Immerhin hatte seine Familie seit
er denken konnte in Mailand und Straßburg gewohnt. Der Umzug
nach Ulm war erst nach der furchtbaren Katastrophe erfolgt –
getragen von dem Bestreben, so viele Meilen wie möglich zwischen
sich und den Ort zu bringen, an dem seine Eltern den Tod gefunden
hatten. Und von der Hoffnung, seine Steinmetzausbildung auf der
Münsterbaustelle zu Ende bringen zu können. Bevor die in
ihm aufsteigende Bitterkeit ihm die Laune verderben konnte, fügte
Otto mit einem schiefen Lächeln hinzu: »Dein Vater hasste
das Leben eines Ritters, wusstest du das?« »Wirklich?«
Falk schielte ungläubig nach dem mit eisernen Platten versehenen
Waffenrock des Älteren. Was würde er dafür geben, mit
ihm tauschen zu können! »Ja«, gab Otto zurück.
»Und ich kann dir gar nicht sagen, wie recht er damit hatte. Es
ist nicht alles Gold, was glänzt.« Seine Miene verhärtete
sich. »Früher war es vielleicht eine Ehre, ein Ritter zu
sein, aber das ist längst nicht mehr so.« Er lachte
freudlos. »Raub und Überfall, das ist es, wovon man
heutzutage am Besten lebt!« Falks schockiertes Gesicht ließ
ihn fortfahren: »Ernährt werden wir von unseren
bettelarmen Bauern, deren Felder kaum Ertrag bringen. Wo immer wir
gehen und stehen, müssen wir fürchten, von einem anderen
verschleppt und gegen Lösegeld festgehalten zu werden. Nicht
einmal zur Jagd reiten kann man, ohne sich seines Lebens fürchten
zu müssen.« Er machte eine Pause, um Luft zu schöpfen.
»Und wenn es das nicht ist, dann muss man Zank und Streit
zwischen den eigenen und fremden Meiern schlichten. So friedlich und
bequem wie in der Stadt ist es auf dem Land bei Gott nicht!«
        Der
Ausbruch hatte ihm das Blut in die Wangen getrieben. Als er Falks
bestürzten Blick auf sich spürte, lenkte er hastig ab und
deutete auf eine Gruppe junger Frauen, die schwere Tonkrüge am
Ufer entlang trugen. »Schlag besser drei Kreuze. Wer weiß,
ob die Krüge leer sind.« Damit fuchtelte er selbst drei
Mal vor seiner Brust hin und her, und wenngleich Falk den Aberglauben
nicht teilte, tat er es ihm gleich. Dass die Begegnung mit
Wassertragenden Unglück brachte, war sicherlich genauso ein
Ammenmärchen wie die Furcht vor blinden Bettlern, alten Weibern
und Buckligen. Als sie an den Bauernmädchen vorbeiritten,
rafften zwei von diesen gerade ihre Röcke. Ohne Scham entblößten
sie ihre Beine, stopften die Säume in die Gürtel und
wateten ins Wasser. Die übrigen fünf kicherten übermütig
und machten Anstalten, es ihren Gefährtinnen gleichzutun. »Sieh
sie dir nur an, diese schamlosen Flittchen!«, knurrte Otto und
starrte die Mägde missgelaunt an. »Und wenn ein redlicher
Mann der Versuchung erliegt, dann rennen sie und beklagen sich beim
Vogt! Ich hätte nicht übel Lust, diesen Dirnen Anstand
einzuprügeln!« Seine Kiefermuskeln zuckten. Falk, den beim
Anblick der nackten Haut ein heißes Gefühl durchströmte,
ertappte sich dabei, wie er sich eine Ausrede wünschte, die
Reise zu unterbrechen. Doch das kam nicht in Frage.

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