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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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ein Bett, das direkt unter einem der wenigen Fenster
stand, scharte sich eine Gruppe bestürzter und aufgebrachter
Helfer, die heftig mit der Tabibe diskutierten. »Wenn ihr
nicht tut, was ich euch sage, wird er ganz gewiss verbluten. Also
hört endlich auf, mir zu widersprechen und bringt mir die
Kräuter!« Einer der jungen Männer löste sich
widerstrebend aus dem Kreis, und ihr Blick fiel auf Sapphira.
»Vergiss, was ich gesagt habe«, schickte die Tabibe dem Burschen hinterher und
herrschte die anderen an: »Ich brauche euch nicht mehr.«
An Sapphira gewandt, zählte sie an den Fingern auf: »Bereite
einen Tee aus Hirtentäschel, bring mir eine Schale Amurca mit Thymian und einen Becher
Rotwein.« Sie überlegte einen Augenblick. »Und noch
mehr von der Qazz –
der festen Gaze.« Damit wandte sie sich zurück zu dem
alten Mann, der sich mit klappernden Zähnen auf dem Bett hin und
her warf. »Ich muss die Pfeilspitze aus Eurer Schulter holen«,
sagte sie zwar sachlich aber beruhigend, bevor sie die Hände um
den abgebrochenen Schaft legte, der aus dem bläulich verfärbten
Fleisch ragte. Froh darüber, eine Ausrede zu haben, verließ
Sapphira fluchtartig den Raum. Sie hatte kaum den Durchgang zum
Arzneilager erreicht, als ein markerschütternder Schrei durch
das Hospital gellte. Hastig knallte sie die Tür hinter sich zu,
um die grässlichen Geräusche abzuschneiden, und lehnte sich
schwer atmend gegen das Holz.
        Dem
ersten Schrei folgten schon bald weitere, die allerdings Gott sei
Dank nur gedämpft bis zu ihr vordrangen. Auf unsicheren Beinen
löste sie sich von der Tür und stolperte auf die Gefäße
zu, in denen das Geforderte aufbewahrt wurde. Froh darüber, sich
auf etwas anderes konzentrieren zu können, setzte sie den
Kräutersud auf, füllte etwas Wein in einen Krug und
vermischte die Amurca –
die beim Pressen von Olivenöl anfallende, wässrige
Flüssigkeit – mit einigen Löffelchen Thymian. Als das
strenge Aroma des Tees verriet, dass dieser genug gezogen hatte,
verfrachtete sie alles auf ein Tablett, holte tief Luft und wappnete
sich für das Bevorstehende. »Es ist wie verhext«,
empfing die Tabibe sie
und wies sie mit einem Wink an, ein Stückchen Qazz mit dem Öl zu tränken.
»Erst der Sultan und jetzt der Hekim. «
Entgegen der Übelkeit, die beim Anblick der klaffenden Wunde in
ihr aufstieg, platzte Sapphira erschrocken heraus: »Was ist mit
dem Sultan?« »Ich weiß es nicht«, erwiderte
die Heilerin und nahm dem Mädchen das Tuch ab, um damit die
bereits entzündet wirkenden Ränder der Verletzung zu
säubern. »Anscheinend leidet er an Cheiragra – an Gicht. Mehr war aus diesen unnützen Burschen nicht
herauszubekommen.« Das Gefühl der Beklommenheit in
Sapphiras Magengrube verwandelte sich in blankes Entsetzen. Was, wenn
Bayezid starb? Ein bodenloser Abgrund tat sich vor ihr auf, als sie
sich vorstellte, was geschehen würde, sollte der mächtige
Sultan von einer Krankheit niedergestreckt werden. Die Stimme der
Ärztin durchschnitt die Glocke der Taubheit, die sich bei diesem
Gedanken erstickend über sie senkte. »Ich brauche deine
Hände hier und hier.« Sie wies auf die Brust des Hekims. »Du musst die Haut
zusammenpressen, solange ich nähe.« Der Patient, der in
der Zwischenzeit das Bewusstsein verloren hatte, wirkte wie tot, und
einen Moment lang fragte sich Sapphira, ob er überhaupt noch am
Leben war. Als die Tabibe jedoch mit einer schmalen
Klinge einige Hautfetzen abtrennte, gab er ein Stöhnen von sich,
und das Flattern seiner Lider verriet, dass er bald wieder zu sich
kommen würde. Kaum tat die Ärztin den ersten Stich, spürte
Sapphira, wie er unter ihr zusammenzuckte. Obwohl die Sorge um
Bayezid an ihr nagte, verdrängte die mit aller Macht
zurückkehrende Übelkeit alle anderen Überlegungen.
»Ich hoffe nur, es setzt keine Fäulnis ein«,
murmelte die Tabibe schließlich und wusch
die Wunde ein letztes Mal mit einem in Rotwein getränkten
Schwamm. »Denn dann weiß ich nicht, ob ich ihm noch
helfen kann.«
        Als
sie sich vom Lager des Kranken erhob, sandte Sapphira ein Stoßgebet
zum Himmel, dass sie in den Teil des Darüssifa zurückkehren würden,
in dem die Frauen untergebracht waren. Doch ein Blick auf das Gesicht
der Tabibe riss
diese Hoffnung an der Wurzel aus. Mit einem Wink gab die Ärztin
der jungen Frau zu verstehen, ihr zu dem benachbarten Bett zu folgen,
in dem ein fiebernder, kaum vierzehnjähriger Bursche lag, dessen
Augen glasig an die

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