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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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sein
wutschnaubender Gegner ein weiteres Mal ausholen konnte, schnellte
der Ritter jedoch nach rechts und befreite den Dolch aus seiner
Scheide. Blitzschnell schlitzte er seinem Angreifer den Unterarm auf,
sodass dieser mit einem Heulen den Knüppel fallen ließ.
Angestachelt von der plötzlich aufflackernden Angst im Blick des
Wilderers, setzte Otto nach und brachte seinem Gegner eine klaffende
Wunde auf der Wange bei. Einen Zentimeter weiter oben und der Bauer
hätte ein Auge verloren – etwas, was den Kerl dazu
veranlasste, sich wieselflink zu ducken und ohne zu überlegen,
die Beine in die Hand zu nehmen. »Nicht doch«, spuckte
Otto aus, »gerade, wo es anfing, mir Spaß zu machen.«
Immer noch heftig atmend wandte er sich wieder der Beute zu,
schnappte sich, soviel er tragen konnte, und trottete zurück zu
Falk, als ob nichts geschehen wäre. Eines war deutlich auf dem
Gesicht des Burschen zu lesen – Bewunderung gepaart mit einem
Hauch von Entsetzen. Otto feixte. So wie der Bengel aus der Wäsche
schaute, hatte Otto mit diesem kühnen Fischzug wenigstens sein
Vertrauen zurückgewonnen.

Kapitel 24
     
    Zwei
unendlich lang erscheinende Tage später erreichten sie endlich
Venedig. Zerschlagen, durstig und mit einem Gewissen, das wegen des
Diebstahls schwer wog wie Blei, kniff Falk die Augen zusammen, als
die zahllosen Inseln vor ihnen auftauchten. Verstreut und dennoch
zusammenhängend, lag die Lagunenstadt inmitten des grünlichen
Wassers der Adria, und der Anblick war so ungewohnt, dass er für
einen Moment all seine Bedenken vergaß. Die überall vor
Anker liegenden Schiffe bildeten einen wahren Wald aus Masten und
Segeln, und die Boote, welche zwischen ihren größeren
Schwestern hin und her pendelten, wirkten wie winzige Nussschalen. Im
gleißenden Licht der Junisonne funkelten eiserne Beschläge
und Kanonen, blitzten Helme und Hellebarden auf, während ein
mittelmäßiger Südostwind die zum Teil gerefften Segel
flattern ließ. Im Hintergrund fing sich das Licht in den
zahllosen Kaminen und Kupferdächern der Stadt, welche die
Einwohner Venedigs voller Stolz Serenissima – die
Erhabene – nannten. Fassungslos rieb Falk sich die Augen, da
das Gewimmel auf See mit jedem Wimpernschlag zuzunehmen schien –
beinahe als vermehrten sich die Barken, Nachen und Gondeln von
Zauberhand. Seit einiger Zeit hatte sich auch der Strom der Reisenden
um sie herum verdichtet, und inzwischen hatte sich der junge Mann an
die halsbrecherisch vorbeipreschenden Reiter der Compagnia dei
corrieri – der Boten des venezianischen Postdienstes –
gewöhnt. Italienische Händler in langen, schwarzen
Gewändern hatten sich ebenso zu den Reisenden gesellt wie
Kaufleute aus aller Welt, die auf Karren englische Wolltuche,
deutsche Hüte und Schleier, Waid, Galläpfel oder Salz
transportierten. Zwar waren Falk und Otto bereits auf dem
beschwerlichen Weg über die Alpen dem einen oder anderen Zug
begegnet, doch schienen sich diese vor dem Handelszentrum
aufzustauen. Wie sein Onkel und er hatten viele dieser Reisenden den Fondaco dei Tedeschi – die deutsche Faktorei auf dem
Rialto – zum Ziel, in der alle Händler aus Deutschland
absteigen mussten, gleichgültig ob sie kaufen oder verkaufen
wollten. »Meine Güte, es wird Tage dauern, bis wir eine
Gondel für die Überfahrt bekommen«, bemerkte Otto.
»Das müssen Tausende sein.« Falk folgte seinem
ausgestreckten Finger zu einer kunterbunten Menschenmenge, die sich
um die Anlegestelle drängte, von der aus die Reisenden zum
Stadtbezirk San Marco übersetzen konnten. »Wenn Ihr es
eilig habt, könnte ich Euch helfen.« Die ölige Stimme
erklang so plötzlich hinter ihnen, dass sowohl Falk als auch der
Katzensteiner herumwirbelten. »Für einen halben Dukaten
bringe ich Euch auf das Boot meines Vetters«, fuhr ein
schmächtiger Mann mit einem schmutzigen Gesicht fort. »Der
schifft Euch vor allen anderen zum Rialto.« Falk lachte
freudlos. »Wenn wir einen halben Dukaten besitzen würden«,
sagte er, »denkst du nicht, dass wir dann etwas standesgemäßer
reisen würden?« Seine Stimme troff vor Ironie. »Man
weiß nie«, gab der Italiener mit einem schiefen Lächeln
zurück. »Oft trügt der Schein.« Damit
verschwand er genauso lautlos wie er aufgetaucht war in der Menge und
Falk schüttelte den Kopf.
        »Es
war ein Fehler, nicht gleich kehrtzumachen«, bemerkte er
säuerlich. »Ein großer Fehler.« Otto, der seit
dem Zwischenfall mit dem Wilderer versucht hatte, Falks

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