Die Heilerin des Sultans
bewirkte war, dass der Schlange Klauen wuchsen,
die sich immer härter in seine Kehle gruben. Keuchend rang er um
Luft. In dem Moment, in dem die Angst zu ersticken ihren Höhepunkt
erreicht hatte, fuhr er aus dem Traum auf – um zu erstarren,
als er in ein glitzerndes Augenpaar blickte, das den Schein mehrerer
Fackeln reflektierte. Während sein Verstand fieberhaft
versuchte, die Benommenheit des Schlafes abzustreifen, nahm der Druck
auf seine Kehle erneut zu; und er begriff, dass der Mann, zu dem das
Augenpaar gehörte, ihn am Hals gepackt hielt. Da sein Peiniger
den Griff allerdings brutal verstärkte, wurde es Falk nach
wenigen hämmernden Herzschlägen schwarz vor Augen, und er
merkte nicht einmal mehr, wie ihm das Schwert abgenommen wurde. Erst
das Schaukeln eines Bootes brachte ihn wieder zu Bewusstsein, und als
er versuchte, sich zu bewegen, schlug namenlose Furcht über ihm
zusammen. Verschnürt wie ein Stück Frachtgut, war er
achtlos auf den schlüpfrigen Boden eines Kahns geschleudert
worden, der von vier Ruderern aufs Meer hinaus gesteuert wurde.
Angsterfüllte Schreie hallten durch die Nacht –
gespenstisch untermalt durch das Klirren von Metall und das Surren
von Armbrustbolzen. Ein grelles Flackern erklärte den Gestank
nach verbranntem Holz. Kaum näherte sich der Nachen den vor
Anker liegenden Koggen, entfloh Falk ein entsetzter Ausruf. Deutlich
zeichnete sich ein in Flammen stehender Mast von dem vernebelten
Hintergrund ab. Mit der Deutlichkeit eines Faustschlages begriff er,
dass das Dorf von Piraten überfallen worden war.
Kapitel 34
Bursa,
Sommer 1400
Die Händler
waren tatsächlich gekommen! Mit der immer noch
niedergeschlagenen Gülbahar im Schlepptau drängte Sapphira
an diesem heißen Freitag an der Moschee vorbei in den äußeren
Hof, um wie die anderen Frauen ihren Sold gegen etwas ganz Besonderes
einzutauschen. Zwar wusste sie noch nicht genau, was es war, das sie
erstehen wollte, aber bei der Vielzahl der Stände würde
sich bestimmt etwas finden lassen. Vielleicht reichten ihre Asper für
ein feines Stück Stoff oder sogar einige Schmucksteine, die sie
zu einer Kette oder einem Diadem verarbeiten konnte. Oder sie konnte
sich Silberfäden kaufen und damit ein einfacheres Gewand
besticken. Die Möglichkeiten waren grenzenlos. »Mach nicht
so ein Gesicht«, schalt sie die Freundin, welche seit dem
Aufbruch der Janitscharen in einen lethargischen Zustand verfallen
war. »Kauf etwas für ihn«, raunte sie Gülbahar
ins Ohr. »Einen Dolch vielleicht. Oder Liebesplätzchen. Du
wolltest ihm doch ein Pfand schenken.« Damit trieb sie ihre
Begleiterin auf ein blau-weiß gestreiftes Zelt im Schatten
einer Dattelpalme zu, in dessen Innerem ein verhutzeltes Männchen
Süßigkeiten feilbot, die von einer Heerschar von Fliegen
umkreist wurden. Klebrig und glänzend lockten diese
Köstlichkeiten die naschhafteren unter den Frauen an, und mehr
als eine Hofdame trug bereits ein kleines Beutelchen mit dem
Schriftzug des Händlers vor sich her. »Sieh nur«,
schwärmte Sapphira und wies auf eine Ansammlung kleiner Küchlein
mit dem Namen »Finger von Banid«. Als Gülbahar
jedoch lediglich lustlos den Kopf schüttelte, kam ihr der Krämer
zur Hilfe. »Wie wäre es mit ein paar Amberkämmen oder
in Sesamöl frittierten Dattelpastetchen?«, fragte er
unterwürfig, wobei er es achtsam vermied, den Blick der
verschleierten Mädchen zu suchen. »Oder ein ‚Wunder
von Umm Salih’?«, pries er weiter an. »Probiert,
und Ihr werdet es nie wieder vergessen können.« Wenngleich
Sapphira eigentlich nicht vorhatte, Geld für etwas so
Vergängliches wie Leckereien hinauszuwerfen, gab sie der
Versuchung nach und ließ das Naschwerk auf der Zunge zergehen.
»Köstlich«, murmelte sie. Als die Gefährtin sie
ungeduldig am Ärmel zupfte, war sie beinahe froh, der Versuchung
den Rücken zu kehren.
Immer
noch kauend, folgte sie dem Blick ihrer Begleiterin zu einer kleinen
Ansammlung von Ständen, vor denen ein wahrer Aufruhr herrschte.
Anders als die bescheidenen Buden am Rand es Hofes, protzten diese
Verkaufsstände mit kostbarem Zeltstoff, der die Gewänder
der reichen Damen beinahe schäbig aussehen ließ. Dort,
direkt in der Mitte des Hofes, hatte sich eine Traube vornehmer Harems bewohnerinnen
gebildet, die sich lauthals um chinesische Seide, persischen Brokat
und Schleier aus Perugia stritten. Juwelen, Gewürze, Elfenbein
und Damaszener Zucker wurden ebenso angepriesen wie Smaragde, Rubine
und
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