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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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der Mitte des
Hofes. Ziellos bummelte sie an den Zeltreihen entlang, hielt hie und
da inne, um die Waren zu begutachten, doch nichts von dem, was für
sie erschwinglich war, reizte sie wirklich. Sie wollte gerade
unverrichteter Dinge aufgeben, als sie einen unscheinbaren, winzigen
Stand erspähte, der von der Unterkunft des Kaufmanns neben ihm
beinahe vollkommen ausgestochen wurde. Dieser Spezialitätenhändler
pries lauthals eingesalzene Sperlinge, gestampfte Oliven, saures
Gemüse, Estragon und diverse Käsesorten an. Aber es waren
die in brüchiges Leder gebundenen Bücher seines Nachbarn,
die Sapphira den Atem stocken ließen. Als habe eine unsichtbare
Macht die Kontrolle über ihre Glieder ergriffen, trugen ihre
Beine sie, ohne zu zögern, zu dem erstaunlich jungen Mann, der
sie mit einer ehrerbietigen Verneigung begrüßte. »Ihr
seid eine Liebhaberin der weisen Schriften?«, fragte er –
ohne den leisesten Anflug von Herablassung. Als Sapphira nickte, lud
er sie mit einer Geste ein, das Zelt zu betreten. Sie war kaum in den
Schatten der Leinwand eingetaucht, als der Geruch von Pergament und
fein gegerbtem Leder süßer als jedes noch so kostspielige
Duftwasser ihre Nase füllte. Schwer, beinahe beißend hing
ein Gemisch aus Staub, Alter und Wissen in der Luft, das Sapphira mit
einem Gefühl erfüllte, welches sie nicht beschreiben
konnte. Fassungslos sah sie sich um und ließ den Blick über
zahllose Buchrücken und lose Rollen wandern, deren ausgefranste
Ränder darauf schließen ließen, dass sie viele
Generationen alt waren. Sorgsam geordnet, harrten hier astrologische,
philosophische, magische und medizinische Schriften auf einen Käufer,
der sie aus ihrem Grab befreite und wiederbelebte. Mehr denn je
dankbar dafür, dass ihr erster Herr, der Schreiber aus Smyrna,
sie nicht nur Lesen und Schreiben, sondern noch dazu Latein und ein
wenig Griechisch gelehrt hatte, überflog sie Titel und
Aufschriften. Viele davon waren auf Türkisch, das ihr leichter
fiel als die anderen Sprachen. Doch es war ein zwei Finger dickes,
sorgsam gebundenes Büchlein, welches ihre Aufmerksamkeit
erregte. » De passionibus
mulierum «, wisperte sie
andächtig und wog den Schatz in der Hand, bevor sie ihn
aufschlug und vorsichtig durchblätterte. Anders als der
ausgedünnte Text im Hospital war dieses Buch mit ausführlichen
Erläuterungen und Illustrationen versehen, die in ihrer
graphischen Darstellung mehr erklärten, als Worte allein es
vermochten.
        »Was
wollt Ihr dafür?«, fragte sie heiser vor Aufregung, da sie
das Kleinod um nichts auf der Welt wieder aus der Hand legen wollte.
Noch niemals zuvor hatte sie etwas mit solcher Gewalt zu besitzen
begehrt wie diese Abhandlung einer längst verstorbenen Frau aus
dem fernen Italien. »Nun«, hub der Händler mit einem
listigen Ausdruck auf den knabenhaften Zügen an. »Ich
könnte es Euch für einhundert Asper überlassen.«
»Einhundert Asper?!«, keuchte Sapphira und machte
Anstalten, die Schrift zurückzulegen – auch wenn es ihr
das Herz brach, sich von dieser Kostbarkeit zu trennen. So viel besaß
sie einfach nicht! »Aber da ich mich eher selbst an den
Bettelstab bringen würde, als Euch zu übervorteilen«,
setzte er ölig hinzu, »könnte ich mich auf achtzig
Asper herunterhandeln lassen.« Er schenkte Sapphira ein
gänzlich unbescheidenes Lächeln, und mit plötzlicher
Klarheit begriff sie, was von ihr erwartet wurde. »Mehr als
dreißig Asper kann ich Euch dafür nicht geben«, log
sie deshalb und bemühte sich um eine gleichgültige Miene –
bis ihr einfiel, dass er wegen des Schleiers nicht viel von ihrem
Gesicht sehen konnte. »Es tut mir leid.« Damit streckte
sie die Hand, welche die Abhandlung hielt, in seine Richtung. Was die
gewünschte Wirkung erzielte. »Nun gut«, stöhnte
er mit beinahe komischer Verzweiflung. »Fünfzig Asper,
aber für weniger kann ich mich wirklich nicht davon trennen!«
Da sie allmählich Gefallen an dem Spiel fand, legte Sapphira
scheinbar grübelnd den Kopf auf die Seite und blinzelte den Mann
ein paar Mal an, um zu sehen, ob sich der Preis noch weiter
herunterhandeln ließ. Die vor der Brust verschränkten Arme
und der harte Glanz in seinen grauen Augen sprachen jedoch eine
deutliche Sprache, sodass sie die Münzen auf einen kleinen Tisch
zählte, bevor er es sich anders überlegte. »Es war
mir ein Vergnügen, mit Euch Geschäfte zu machen«,
flötete er. Doch Sapphira hatte bereits nach ihrem Kauf
gegriffen und sich mit

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