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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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haben mir nicht erzählt, wo sie ist. Und sie wirkten nervös, als ich sie gefragt habe.«
    Die Tür wurde aufgerissen, und mehrere Mentoren stürzten heraus. Ihre dunklen Köpfe schwenkten hin und her, musterten den ganzen Hof. Enzie keuchte, und ihr Griff um meine Hand wurde noch angespannter.
    »Ich glaube ihnen nicht, Nya. Jetzt nicht mehr. Tali ist verschwunden. Genau wie die anderen.« Sie sah sich erneut nach den Mentoren um. »Du verschwindest besser auch!«

Fünftes Kapitel
    W arte«, rief ich Enzie hinterher, aber sie rannte bereits davon und tauchte in der grünen Masse der anderen Mündel unter. Zwei Mentoren trieben die Mündel zusammen, während einer auf mich zukam. Er gehörte nicht zu den alten Männern, vor denen ich hätte davonlaufen können. Ich humpelte davon, suchte Schutz in der Menschenmenge auf dem Gehweg, schlängelte mich zwischen fetten Flüchtlingen und hageren Tagelöhnern hindurch, stolperte über ein tapsiges Zweijähriges und wäre beinahe auf der Nase gelandet.
    »Pass doch auf, du 'Veg!«, keifte die Mutter.
    »Entschuldigung!« Was hatte ich getan? Die Seidenmänner waren doch hinter mir her, nicht hinter Tali! Und wie konnten sie Tali so einfach aus der Gilde entführen? Die Gilde hatte Wachleute mit Waffen aus Baseeri-Stahl, die sie schützen sollten. Aus dem Gildenhaus konnten Menschen nicht einfach so verschwinden.
    Vada ist weg ... Sie ist diese Woche schon die Vierte von uns, die verschwunden ist.
    Ich stolperte erneut, fing mich unter Zuhilfenahme eines Bauern ab, der einen Korb mit Bananen unter dem Arm hatte. Er musterte mich mürrisch und schüttelte meine Hand ab.
    Lehrlinge der Gilde verschwanden einfach. Tali war der fünfte. Um der Liebe der Heiligen Saea willen, wie konnten in einer Woche fünf Lehrlinge verschwinden, ohne dass irgendjemand Alarm schlug? Mir stockte der Atem, und ich versteckte mich hinter einem Pfosten jenseits des Zauns, der das Gildegelände umgab, außer Sichtweite zweier Soldaten. Vielleicht hatten die Ältesten es ja gemerkt, konnten aber nichts tun. Der Herzog konnte sie zum Schweigen verdonnern, wenn er es wollte. Entführte er Gevegs Lehrlinge, um sie nach Verlatta zu schicken?
    Oh, Tali!
    Ich wagte einen Blick zurück. Der Mentor scheuchte gerade die letzten Mündel zurück ins Gebäude.
    Spannung legte sich auf meinen Brustkorb, und ich verstand, wie sich eine Schilfratte fühlte, wenn sie gerade von einer Python zerdrückt wurde. Meine ganze Haut brannte erst glühend heiß, um gleich darauf eiskalt zu werden. Es war meine Schuld. Ich hatte den Seidenmann direkt zu Tali geführt. Er musste ihr von den Gärten aus gefolgt sein und sie gepackt haben, ehe sie das Gelände der Gilde erreichen konnte. Gestern Morgen war er sogar selbst im Gildenhaus gewesen! Vermutlich, um sich seine Opfer auszusuchen, um Lehrlinge ohne Familie herauszupicken, deren Entführung kaum Probleme aufwerfen dürfte.
    »Wo bist du?«, murmelte ich und entfernte mich auf unsicheren Beinen von dem Zaun. Er musste in der Nähe sein - er war schon seit gestern in der Nähe und beobachtete mich.
    Ich stand mitten auf der Brücke zwischen dem Gildenhaus und den Läden für den alltäglichen Bedarf, drehte mich langsam im Kreis und fasste jede Gebäudeecke ins Auge. Was machte es schon, ob die Soldaten mich sahen. Sie waren nicht diejenigen, die Löser entführten, das waren die Seidenmänner, und sollte ich einen von ihnen in die Finger kriegen, dann würde ich ihn dazu zwingen, mir zu erzählen, wo Tali war, oder ... Nun, ich hatte noch genug Schmerz in mir, um diesem »oder« ausreichend Gewicht zu verleihen.
    Keine gelbe oder grüne Seide blitzte im Gestrüpp auf.
    Oder an einer Gebäudeecke.
    Oder an irgendeiner anderen Stelle in meinem Blickfeld.
    Ich kletterte auf die Mauer, die die Brücke begrenzte. Unter mir rauschte graues Wasser vorüber, während auf der Brücke Leute nervösen Blickes an mir vorbeihasteten. Einer der Soldaten schaute in meine Richtung, stupste seinen Kameraden an und zeigte auf mich. Meine Muskeln ließen mich im Stich, und ich sackte auf das feuchte Pflaster. Glücklicherweise schauten die Soldaten bereits woandershin.
    »Oh, Tali.« Ich musste sie finden, und die größte Chance dazu hatte ich, wenn ich den Seidenmann fand. Das alles hatte zu viel Logik, um purer Zufall zu sein. Er musste ein Greifer sein. Nur dass sie sich dieses Mal gleich auf die Heiler stürzten und alle anderen ignorierten.
    Aylin! Vielleicht hatte sie ihn noch ein

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