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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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offenbar ebenfalls einbildete, die Heiligen würden sich für sie interessieren. Nicht dass ich es ihr missgönnte. Wenn sie sich überhaupt an ihre Fragen erinnern konnte, dann konnte sie genauso gut auch Antworten finden. Ich schloss die Augen, und die gemurmelten Worte anderer Menschen schwebten vorüber wie sanfte Erinnerungen daran, was ich gesagt hatte, als ich klein und Tali noch kleiner gewesen war.
 
    Heilige Saea, Schwester des Mitgefühls, höre mein Gebet.
 
    Aber mehr kam nicht. Ich seufzte und sprach mein Gebet aus meinem Herzen.
 
    Segne mich mit der Weisheit, die ich brauche, um Tali zu finden. Führe mich zu diesem Seidenmann und gib, dass er ... dass er weiß, was ich wissen muss. Gib mir die Kraft, es aus ihm herauszupressen, sollte es nötig sein.
 
    Ich verzog das Gesicht. Diese letzte Bitte hätte ich vielleicht besser an die Heilige Moed gerichtet.
    Das marmorne Antlitz der Heiligen Saea starrte nur weiter über meinen Kopf hinweg und sorgte dafür, dass niemand den Raum zu geräuschvoll betrat. Schritte klangen auf und verklangen wieder.
    Und sie starrte immer noch.
    »Du hörst nie zu«, murmelte ich und trat vor, um die Statue dort zu treten, wo ihr Schienbein sein müsste. Der Tritt hinterließ einen grün-grauen Schlammfleck auf ihrer Marmorrobe.
    Der haarige alte Mann räusperte sich abfällig und rutschte hastig auf der Bank weiter weg.
    Ich ließ den Kopf hängen und vergrub die Hände in meinem zerzausten Haar. Warum hatte ich Aylin nur zur Gilde gehen lassen? Sie würde bestimmt nicht mehr herausfinden als Enzie, aber womöglich brachte sie sich zudem noch in Schwierigkeiten. Wenn schon die verschwundenen Lehrlinge niemanden kümmerten, dann würde auch gewiss niemandem eine verschwundene Tänzerin auffallen.
    Mein Bauch sagte mir, dass es nur eine Person gab, die mir sagen konnte, wo Tali war, und wenn ich diesen gelb-grünen Schleicher nicht finden konnte, dann würde ich eben dafür sorgen, dass er mich fand. Er hatte mich bei Danellos Haus gesehen, an Aylins Ecke und vor meiner Mietswohnung. Ich würde einfach zwischen diesen drei Orten meine Kreise ziehen, bis er sein Gesicht zeigte.
    Verlang, dass er verrät, wo Tali ist. Zwing ihn, dich zu ihr zu bringen.
    Mehr Schritte, trippel-trappel. Und trappel ... und trappel ... als würden plötzlich alle den Saal verlassen.
    Ich hob den Kopf und maß die Heilige Saea finsteren Blickes, da sie so eine saumäßig schlechte Arbeit leistete, wenn es darum ging, für Ruhe im Heiligtum zu sorgen.
    Jemand setzte sich neben mir auf die Bank. Gelb und Grün flackerte in meinem Augenwinkel auf.
    O ihr Heiligen! Anscheinend hört ihr ja doch zu ...
    Es war der zweite Seidenmann, der von letzter Nacht. Aus der Nähe sah er sogar noch schmucker aus. Sein schwarzes Haar bildete einen auffallenden Kontrast zu der farbenfrohen Gewandung. Geplättete Seide noch dazu und makellos trotz des Regens und all der schlammigen Pfützen.
    »Bist du Merlaina?«, fragte er.
    Für einen Moment konnte ich nur verwirrt blinzeln. Oh! Merlaina, das war der Name, den ich gestern Morgen dem Ältesten genannt hatte. Also wussten sie, obwohl sie mich gefunden hatten, nicht, wer ich wirklich war. Meine Muskeln protestierten heftig, als ich mich auf ihn stürzte und eine Hand voll perfekter Seide umklammerte.
    Ich schubste ihn, sodass sein Oberkörper auf die Bank kippte. »Wo ist meine Schwester?«
    »Was? Ich weiß es nicht - runter von mir.«
    Schockiertes Keuchen und sorgenvolle Rufe erstickten die hallenden Schritte, als die wenigen verbliebenen Leute vor unserem Handgemenge flohen. Ich musste mich mit meiner Drohung beeilen. Irgendjemand würde bald wieder ausreichend zu Verstand kommen, um eine Patrouille zu suchen.
    »Sag mir, wo sie ist!«
    »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.« Nun schubste er mich, hob mich im nächsten Moment wie einen Sack Kaffeebohnen von der Bank hoch. Gleich darauf umfasste er meine Arme mit festem Griff, und mir traten die Tränen in die Augen. »Ruhig, Mädchen.«
    Er lockerte seinen Griff. Ich wand mich und packte sein nun doch in Unordnung geratenes Seidenhemd. Dieses Mal ergriff er meine Handgelenke, aber ich konnte zwei Finger unter seinen Ärmel schieben, und ich fühlte Haut. »Sag mir, wo sie ist, oder ...«
    Einen Herzschlag lang hielt er inne, doch dann richtete er die Augen gen Himmel und seufzte. »Hör auf, Ärger zu machen, und komm – aarrhhcck!«, schrie er und brach zusammen, als ich auch noch den letzten Rest meines

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