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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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diejenige, die vorsichtig sein muss. Wer auch immer dieser Mann ist, der dich verfolgt, er führt nichts Gutes im Schilde. Also lass dich nicht erwischen.«
    »Aber ich muss mit ihm reden.«
    »Nicht allein. Warte, bis ich zurück bin, dann suchen wir ihn zusammen.« Sie ergriff mein Gesicht mit beiden Händen. Ich spürte sie an meinen Wangen zittern. »Versprich es mir, Nya. Versprich mir, dass du vorsichtig bist.«
    Ich nickte.
    »Warte in dem Tempel am Leuchtturmweg auf mich. Dort dürftest du sicher sein.«
    Daran zweifelte ich, aber es gäbe mir noch etwas Zeit unter freiem Himmel, die ich dazu nutzen konnte, nach dem Seidenmann Ausschau zu halten.
    Unterwegs erhaschte ich ein Aufblitzen von Grün und Gelb, aber bis ich mich umgedreht hatte, um genauer hinzusehen, war es verschwunden. Ich ging langsamer, bemühte mich, das perfekte Opfer abzugeben. Doch niemand stürzte sich zwischen Aylins Tanzplatz und dem Tempel auf mich. Ich sah mich noch einmal nach Gelb-Grün um und schlüpfte dann hinein.
    Nichts.
    Meine Schritte hallten in der mit Marmor ausgelegten Halle wider, ein Geräusch, das mich nötigte, auf Zehenspitzen weiterzuschleichen. Die niedrige Decke hing drohend über mir und erinnerte mich daran, den Sieben Schwestern den gebührenden Respekt zu erweisen. Die Erbauer hatten gewusst, was sie taten, denn bis zu der Stelle, an der die Halle dem Kuppelsaal in der Mitte des Tempels wich, hätte ich nicht einmal dann mehr als ein Flüstern von mir geben mögen, hätte der Raum in Flammen gestanden.
    Ich schritt über das geometrische Blumenmuster, das die Mitte des Raums zierte - sechs sich überlappende Kreise, überlagert von einem siebten im Zentrum. Die glasierten Fliesen funkelten sogar noch in dem trüben Licht, das durch die Bogenfenster hereindrang. Geschwungene Holzbänke führten strahlenförmig aus der Mitte heraus nach außen, jeweils zwei Reihen vor jeder der sieben Wandnischen, in denen Statuen der Sieben Schwestern standen, die den Betrachter mit leeren Augen anblickten.
    Zur Linken kreuzte die Heilige Moed ihre beiden Schwerter über dem Kopf, obwohl sie nichts getan hatte, um Geveg gegen den Herzog zu verteidigen, als wir sie gebraucht hatten. Neben ihr lag eine Hand der Heiligen Vergeef in einem Korb voller Birnen, während die andere ausgestreckt war, als wolle sie eine Gabe überreichen. Ein grausames Bild, wenn so viele hungrig blieben. Die Heilige Erlice trug die blasierte Miene eines Wesens, das niemals log, nicht einmal, wenn es dazu gedient hätte, dass jemand sich besser fühlt.
    Auf der rechten Seite sah es nicht viel besser aus. Die Heilige Vertroue rammte ihren Stab in den Marmorblock zu ihren Füßen, hielt ihn mit beiden Händen fest, um jedem die Stirn zu bieten, der versuchte, sie zu passieren. So viel zu ihrer Tapferkeit. Viele hatten sie passiert, und sie hatte nicht einmal ihren Stab von dem Stein gehoben, um sie aufzuhalten. Die Heilige Gedu lehnte geduldig in ihrer Nische, offenkundig nicht in Eile, irgendjemanden vor irgendetwas zu bewahren. Die Heilige Malwe lächelte bescheiden, die Lider halb geschlossen, die Augen niedergeschlagen, als brächte es sie in Verlegenheit, wenn Leute zu ihren Füßen kauerten, um sie anzubeten.
    In der Mitte der sechs stand die Heilige Saea, die Hände geöffnet, als wolle sie Abbitte leisten. Die Mutter der Barmherzigkeit; die Großmama von »Tut mir leid, dass es so kommen musste«; die Heilige, welche die Menschen glauben ließ, dass es das nächste Mal ganz bestimmt anders kommen würde.
    Bei allen Heiligen - dies war bei weitem der unheimlichste Ort in ganz Geveg. All diese leeren Augen, die dich beobachteten und über dich urteilten, obwohl sie selbst nichts getan hatten, als die Leute Hilfe gebraucht hatten. Ich konnte mich der Frage nicht entziehen, was sie wohl in mir sehen mochten.
    Vor der Heiligen Saea suchte ich mir einen Platz zwischen einem alten Mann mit zu vielen Haaren in den Ohren und einer Kiste durchnässter Gebetsbücher. Schade, ein Gebet hätte ich jetzt brauchen können.
    Also dachte ich mir eines aus.
 
    Bitte, lass es Tali gut gehen. Bitte, mach, dass sie zu einer Heilbehandlung gegangen ist und im Schlafzimmer eines adligen Baseeris steht, der meint, er sei zu gut, zur Gilde zu gehen. Bitte, mach, dass ich wegen des Seidenmanns irre.
 
    Hinter mir erklangen ungleichmäßige Schritte, und ich sah mich über die Schulter um. Keine Männer in Grün und Gelb, nur eine gebückte, verkrümmte alte Frau, die sich

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