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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Richtungen wie bei einem neugeborenen Lamm.
    Jeatar fing mich auf, presste mir meine Arme an den Körper. Er schüttelte mich einmal kräftig, und mein Kopf schnappte zurück. »Beruhige dich«, flüsterte er heiser. »Es tut mir leid, aber mein Auftrag lautet, dich zu meinem Herrn zu bringen, und es wird keinen guten Eindruck machen, wenn ich das nicht tue. Du bist in keiner Weise in Gefahr, aber es ist wichtig, dass wir nicht in aller Öffentlichkeit über Einzelheiten reden.«
    Morell hob eine Hand, offensichtlich in der Absicht, mir eine kräftige Ohrfeige zu verpassen. Der Druck an meinem rechten Arm ließ nach, und Jeatar stoppte den Schlag gerade ein paar Zoll vor meinem Gesicht.
    »Du bist ein Idiot, Morell.«
    »Ich habe genug von dem Mist, den die Kleine verzapft.«
    »Dann hör auf, sie zu provozieren.« Er drehte sich zu mir um und packte wieder meine beiden Arme. Morgen würde ich bestimmt blaue Flecken haben. Falls es ein Morgen für mich gab. Trotz all seiner Versicherungen fiel mir nur eine Sache ein, die mit einer Entführung anfangen könnte, und ich wäre für die Heilung von Soldaten in Verlatta nicht geeignet. Es würde mich aber näher zu Tali führen, falls sie doch mit ihrem Verschwinden in Zusammenhang standen.
    Jeatar fuhr fort: »Ich würde ja Abbitte für meinen Kameraden leisten, aber ich bin leider nicht für ihn verantwortlich.«
    Eine Entschuldigung? Greifer waren niemals höflich, niemals zuvorkommend, und sie flüsterten einem auch keine Beschwichtigungen zu, wie beängstigend diese auch sein mochten. Vielleicht hatte das alles wirklich nichts mit Tali zu tun oder mit der Gilde oder mit irgendetwas von den anderen möglichen Gründen, die mir durch den Kopf gegangen waren, seit ich ihn das erste Mal gesehen hatte.
    »Du bist kein Greifer, oder?«, fragte ich so leise, dass Morell mich nicht hören konnte.
    Etwas flackerte in seinen blauen Augen, aber ich konnte es nicht recht einordnen. »Nein, Merlaina, das bin ich nicht.«
    Ich stutzte angesichts der sonderbaren Art und Weise, in der er meinen Namen betonte, so, als wüsste er, dass es nicht mein richtiger war. »Wohin bringt ihr mich?«
    »Möchtest du heute etwas essen?«
    Ich blinzelte. Ein offensichtliches Ablenkungsmanöver, aber ein gutes.
    »Vielleicht etwas über deine Schwester herausfinden?«
    »Ja.«
    Er lächelte, und es sah beinahe vertrauenswürdig aus. »Dann komm mit, und hör dir an, was mein Herr zu sagen hat. Um mehr bitte ich nicht.«
    »Abgesehen davon, dass du überhaupt nicht bittest.«
    Zwei in ihr Gespräch vertiefte Händler wären beinahe mit uns zusammengestoßen. Nun blickten sie mit offenen Mündern, den Anfang von »Verzeihung« auf den Lippen, auf, nur um sogleich die Münder zuzuklappen, eilends vorüberzuziehen und sich anschließend über ihre Schultern nach Jeatar umzusehen.
    Sie hatten ihn erkannt! Für wen arbeitete er? Vielleicht für den Generalgouverneur?
    »Kommst du, Merlaina?«
    Konnte ich ihm trauen? Hatte ich überhaupt eine Wahl? Wenn ich mich weigerte, würde er mich einfach hinschleifen. Aber wenn ich etwas darüber in Erfahrung bringen konnte, wo Tali sich aufhielt, war es das Risiko vielleicht wert.
    Ich schluckte und nickte. Wir gingen weiter. Seine Hände hielten mich wie Stahlklammern fest, während er sich so unterkühlt gab wie ein Seekiesel. So verängstigt war ich seit dem Krieg nicht mehr gewesen, und dabei sagte mir mein Bauch, dass ich derzeit in viel größerer Gefahr schwebte.
    Vielleicht waren sie Söldner. Gegen Ende des Krieges waren viele hergekommen, einige zum Kämpfen, andere, um Leuten, die fliehen wollten, gegen bare Münze ihren Schutz anzubieten. Andere waren geblieben, um die Baseeris vor denjenigen zu beschützen, die immer noch kämpften, nachdem der Rest sich ergeben hatte. Viele dieser Beschützer waren immer noch da, auch wenn heute kaum einer von den Gevegern mehr die Absicht hatte, den Kampf wieder aufzunehmen. Es war schwer, Leute zum Kampf zu ermutigen, die sich mehr Sorgen um ihr tägliches Brot als um die Freiheit machten.
    »Seid ihr Söldner?«
    Er zog eine Braue hoch. Aber ich hörte keinen Widerspruch. Morell stierte mich immer noch finster an, humpelte stärker als zuvor und war inzwischen so weiß wie Milch.
    Wir bogen in die Strangbaronstraße ein und blieben vor einem Steingebäude stehen, das von einer hohen Mauer umgeben war. Die Art Mauer, die man baut, wenn man das, was sich hinter ihr befindet, schützen will. Ich nahm an, dass es

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