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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Zimmer.
    »Bitte. Für mich«, sagte der Fischer.
    So viel Trauer lag in seinen Worten, dass ich beinahe geweint hätte. »Du weißt nicht, worum du bittest.«
    »Doch, ich weiß es. Bitte, mein Fräulein, ich habe mein Boot vor ein paar Monaten verloren. Ich bekomme keine Arbeit mehr, und meine Frau trägt unser viertes Kind unter dem Herzen.« Er zeigte mit einem Nicken auf die Eltern. »Sie haben mir angeboten, unsere Miete für ein ganzes Jahr zu übernehmen, wenn ich ihnen helfe. Meine großen Jungs kratzen Rankenfußkrebse von Bootsrümpfen, seit sie sechs waren, sie können arbeiten, während ich es nicht kann. Und sie können fischen, also werden wir nicht hungern.«
    Bei allen Heiligen, nein, ich wollte so etwas nicht noch einmal tun. »Du könntest sterben.«
    Er nickte. »Ich weiß. Aber auch dann bleibt meiner Familie ein ganzes Jahr, um wieder auf die Beine zu kommen. Diese Zeit könnten wir jetzt wirklich brauchen.«
    Ich musterte das sterbende Kind und seine Eltern. Den Techniker und den Seidenmann. Jeatars unergründliche Augen ruhten auf dem sterbenden Kind. Dann beugte er sich vor und flüsterte Zertanik etwas ins Ohr. Die Augen des Technikers weiteten sich einen halben Atemzug lang, dann nickte er.
    »Meine Liebe, wenn du es tust, werde ich meine Freunde in der Gilde nach deiner Schwester fragen. Meine Freunde sind überaus einflussreich.«
    Fünf Gesichter starrten mir entgegen, alle hoffnungsvoll, aber aus sehr verschiedenen Gründen.
    »Bitte«, sagte der Fischer erneut mit seiner leisen Stimme.
    Er versuchte, seine Familie zu retten. Sie versuchten, ihre Tochter zu retten. Ich musste Tali retten. Das war nicht so anders, als Danello und seiner Familie zu helfen, oder?
    Mein Bauch sagte immer noch nein. Aber fünfzig Oppa! Und ich musste nicht einmal Krokodilen entkommen, um sie mir zu sichern.
    Ich nickte, und die Mutter fing wieder an zu schluchzen. Ich legte die Hand auf das Kind und bemühte mich, nicht über die Zukunft des Fischers nachzudenken. Was schwerfiel, als ich spürte, wie schwer das Mädchen verletzt war. Wie verletzt er sich fühlen würde, wenn ich es geheilt und ihm all den Schmerz auferlegt hatte. Das war dann keine wirkliche Verletzung mehr, aber konnte so viel Schmerz nicht auch tödlich sein?
    Wieder einmal sah ich Mamas Gesicht vor mir. Du darfst nie wieder Schmerz in einen anderen drücken, Nya. Das ist böse, sehr böse. Versprich mir, dass du das nie wieder tust. Ich hatte mich wirklich bemüht, aber ich hatte auch versprochen, auf Tali achtzugeben. Dieses Versprechen musste einfach wichtiger sein.
    »Bist du sicher?«, fragte ich den Fischer. »Das ist...«, ich warf einen Blick auf die Eltern, »... schlimm.«
    »Bitte.«
    Ich drehte mich zu Zertanik um. »Hast du noch einen Tisch oder eine Lagerstätte für ihn?«
    Er winkte Jeatar zu, der sogleich hinausschlüpfte und mit einem der billigen Ladentische zurückkehrte, die die Händler auf den Märkten zu benutzen pflegten.
    »Stell ihn neben ihr auf«, wies ich ihn an, »sodass ich zwischen beiden stehen kann. Ich muss beides gleichzeitig machen.« Zwar verdienten die Baseeris nicht, verschont zu werden, der Fischer aber schon, und ich wollte nicht sagen, dass das Kind so schwer verletzt war, dass ich fürchtete, ihrem Schmerz nicht lange genug standhalten zu können, um ihn anschließend weiterzugeben. Manchmal waren die Leute besser dran, wenn sie bestimmte Dinge nicht wussten.
    Ich legte je eine Hand auf Kind und Fischer, biss die Zähne zusammen und zog. Höllenqualen rasten meinen Arm empor, quer über meine Brust und den anderen Arm hinunter, schneller noch, als ich zog, so, als wollten sie raus, ehe irgendetwas sie festhalten konnte. Helle Punkte leuchteten am Rand meines Blickfelds auf, färbten sich rot, erst hellrot, dann immer dunkler, vermehrten sich, bis sie den ganzen Raum tönten. Dann ergoss sich der Schmerz in den Fischer, und nichts, was ich zu tun versuchte, konnte ihn noch aufhalten.
    Während ich darum kämpfte, auf den Beinen zu bleiben, versperrte ich die Ohren gegen seine Schreie und dachte an Tali.
 
    Jeatar legte mir ein feuchtes Tuch auf die Stirn, während Morell mein Erbrochenes in der Eingangshalle aufwischte. Beinahe hätte ich seine Schuhe erwischt, als ich zur Tür gestürzt war, aber davon fühlte ich mich auch nicht besser. Jeatar hatte mich zum Sofa getragen, nachdem ich meinen Magen entleert hatte, aber auch im Liegen schwankte der ganze Raum um mich herum.
    »Geht es dir

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