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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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dick wie Pudding in den Teppichen. »Setz dich, nimm Platz. Jeatar, hol ihr eine Tasse Tee, bist du so freundlich ?«
    Beides im selben Ton, der zugleich die Bitte als Befehl enttarnte.
    Ich setzte mich auf ein Sofa, so weich, ich wäre beinahe darin versunken. »Warum bin ich hier?«
    »Ich möchte dir eine Stelle anbieten.« Er lächelte, ein Lächeln, das nur dazu diente, mich für sich zu gewinnen, das aber nichts mit seinen Gefühlen zu tun hatte. »Ich könnte jemanden mit deinen Fähigkeiten brauchen.«
    »Ich bin keine Attentäterin.«
    Seine Augen wurden ganz groß, und für einen Moment gaffte er mich nur schweigend an, doch dann lachte er. »Hat eine Menge Fantasie, das Mädchen, nicht wahr?«, sagte er zu Jeatar, der soeben mit meinem Tee zurückgekommen war. Wieder dieses Flackern in seiner Miene. Diese stumme Missbilligung zerrte schlimmer an meinen Nerven als Morells Drohungen.
    »Zucker?«
    »Ja, bitte.«
    Er löffelte Zucker in die Tasse und rührte um. Lichtflecken wirbelten umher, als seien sie vom Weg abgekommen, verwirrt und ziellos.
    »Nein, meine Liebe, ich benötige dich nicht für etwas derart Unfeines«, fuhr der Techniker fort und griff nach seiner eigenen Tasse. »Ich brauche einen Schmerzlöser, der die Grenzen des Pynviums überschreiten kann.«
    »Das ergibt keinen Sinn.«
    »Es bedeutet, dass er mehr ...«
    »Ich weiß, was das bedeutet, aber was nützt ein Löser, der seinen Schmerz nicht loswerden kann?«
    »Du missverstehst mich. Mir geht es nicht darum, ihn loszuwerden, nur darum, ihn zu übertragen.« Er nippte gekünstelt an seinem Tee. »Wenn ich auch noch alltäglichere Anliegen habe, die wir später besprechen können, gilt meine dringendste Bitte einem Klienten, dessen Tochter bei dem Unglück letzte Nacht verletzt wurde. Das Kind liegt im Sterben, und die Gilde ist nicht imstande zu helfen.«
    Die gepeinigten Gesichter der Zwillinge flackerten vor meinem geistigen Auge auf, und ich schauderte. »Dann kann ich es auch nicht. Ihre Löser sind geschulte Heiler; ich nicht.«
    »Ich sagte nicht, dass sie es nicht wollen. Sie können nicht helfen. Sie haben kein Pynvium mehr.«
    Die Tasse entglitt meinen Fingern, und Tee ergoss sich über mein Hemd. Kein Pynvium ? Das war unmöglich! Sie hatten diesen riesigen Block, so groß wie ein Heuballen. Etwas, das so groß war, konnte den Schmerz von Hunderten ...
    »Das Fährenunglück«, flüsterte ich. »Sie haben alles verbraucht? Wie kann das möglich sein?«
    »Sie erwarten eine neue Lieferung, aber meine Klienten können nicht darauf warten, dass sie eintrifft. Bis dahin wäre ihr kleines Mädchen tot.«
    Nicht nur das Kind. Wie viele waren letzte Nacht verwundet worden? Wie viele wurden Tag für Tag verwundet? Was würden die Leute tun, wenn sie wüssten, dass keine Heilung verfügbar war? Sie würden in Panik geraten, womöglich würde es zu Ausschreitungen kommen. Es könnte sogar schlimmer werden als bei dem Aufstand um Lebensmittel, der ausgebrochen war, als die Soldaten des Herzogs die Moorgehöfte erobert und versucht hatten, uns auszuhungern, damit wir uns ergaben.
    Galle sammelte sich in meiner Kehle. War das der Grund, warum Tali keine Visite machte ? Zweifellos hatte sie letzte Nacht geheilt. Was, wenn sie keine Gelegenheit bekommen hatte, den Schmerz abzuliefern, ehe der Block voll war?
    »Merlaina?« Der Techniker pochte mit den Fingerknöcheln auf den Tisch. »Das Mädchen?«
    »Du ... du hast noch Pynvium, nicht wahr? Warum können dir die Schmerzlöser dann nicht helfen?«
    Er sah sich nach Jeatar um und räusperte sich. »Meine Pynvium-Lieferung ist ebenfalls noch unterwegs. Sie hat sich wegen des Interesses, das der Herzog neuerdings an Verlatta hegt, verzögert. Ich habe nicht genug für diese Art der Heilung. Eigentlich sind es nur noch ein paar kleine Stückchen, kaum gut für mehr als das Schienen von ein paar gebrochenen Knochen.«
    Der kalte Tee, den ich mir auf mein Hemd geschüttet hatte, sickerte durch bis auf die Haut, aber ich fror so oder so schon. Das erklärte die Geheimnistuerei und warum sie mich entführt hatten. Wenn die Leute glaubten, ich könnte ihnen helfen, dann würden sie an mir kleben wie Rankenfußkrebse an einem Boot. Trotzdem hätte mich Jeatar nicht so sehr ängstigen müssen. Hoffentlich hatte er mich nicht belogen, als er mir gesagt hatte, er habe Informationen über Tali. »Also soll ich die Tochter heilen und den Schmerz an die Eltern weitergeben, bis die Gilde wieder gerüstet

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