Die Heilerin - Roman
mir, dass Lanelle nicht so dumm war, wie sie sich gab.
»Wie war noch dein Name ?«
Panik zerschmetterte meine Herrschaft über den Schmerz. Er raste durch meinen ganzen Leib. Schweiß prickelte auf meinem Körper wie winzige Spinnen. Ein Keuchen bahnte sich einen Weg über meine Lippen, dicht gefolgt von einem Schluchzer.
Tali fiel auf die Knie und ergriff meine Hand. »Ny-nein, nein, kämpf nicht dagegen an.«
»Geh!«, flüsterte ich.
Ihre Augen weiteten sich, als hätte ich sie getreten. Sie schluckte und tätschelte meine Hand. »So ist es gut, entspann dich.«
Wenn ich nur die Kraft hätte, ihr einen Tritt zu verpassen!
Lanelle zupfte an ihrer Schulter. »Lass sie in Ruhe. Es wird ihr besser gehen, wenn sie wieder eingeschlafen ist. Das ist bisher das Einzige, was ihnen hilft.«
»Ja, da hast du wohl recht.« Tali erhob sich und musterte mich mit einer Miene, in der sich viel zu viel Besorgnis spiegelte. Lanelle war bereits zu misstrauisch.
Wieder prickelten meine Fingerspitzen, die genau wussten, was mein vernebelter Geist übersehen hatte. Ich brauchte kein Pynvium, um meinen Schmerz abzuladen - ich brauchte nur eine Person, der ich ihn übertragen konnte. Lanelle war ihre Helferin. Sie verdiente es, zu erfahren, wie es sich anfühlte, auf einer dieser Pritschen zu liegen, oder nicht? Sie haben sie auch belogen. Möglicherweise weiß sie von nichts. Ich versuchte, mein Gewissen zum Schweigen zu bringen, das sich fast so anhörte wie Großmama.
Lanelle stand am Kopfende meiner Pritsche, gerade ein paar Handbreit von meiner Schulter entfernt. Die Entfernung änderte sich ständig, verlagerte sich vor und zurück wie die Wellen an der Küste. Ich schloss die Augen, um den Schmerz noch einmal zusammenzuquetschen und mich zu konzentrieren. Es ging hier nicht um mich, sondern um sie alle. Lanelle könnte ihnen allen helfen, wenn sie mir und Tali zur Flucht verhalf. Die Kuh, die geopfert werden muss, um die Herde zu retten.
»Ich bin übrigens Lanelle. Ich glaube, wir wurden uns noch gar nicht vorgestellt.«
»Tali.«
Ich konnte beinahe hören, wie sie schluckte. Sie sah mich an, und ich krümmte die Finger, zeigte ihr, so gut ich konnte, was sie tun sollte. Lock sie näher zu mir.
»Das kommt mir bekannt vor.«
»Dann habe ich dir meinen Namen wohl doch schon genannt. Oder vielleicht hatten wir mal gemeinsam Unterricht.«
»Vielleicht.« Dann legte sie die Stirn in Falten und zeigte mit dem Finger auf Tali. »Warum ist deine Uniform so zerknittert?«
»Ich, äh ...«
Ich versuchte, mich aufzusetzen, mich mit meinem verkrüppelten Leib auf Lanelle zu stürzen, ihre Füße zu packen und meinen Schmerz loszuwerden. Wieder verlor ich die Konzentration, und Schmerz explodierte unter meiner Haut.
Tali atmete hörbar ein und trat einen kleinen Schritt näher zu mir. Tonlos formte ich nein mit den Lippen, sammelte erneut den Schmerz und krümmte die Finger.
Lanelle verschränkte die Arme vor der Brust. »Also, was geht hier vor? Du benimmst dich sonderbar.«
Tali keuchte auf und wandte den Blick ab. »Ich bin auf deiner Pritsche eingeschlafen«, platzte sie heraus.
»Du bist eingeschlafen?«, wiederholte Lanelle, als wüsste sie nicht recht, was sie sagen sollte.
»Ja, ziemlich dumm von mir, was?« Sie kicherte. »Also, was hast du vorhin erzählt, Sersin wurde angegriffen?«
Lanelle stierte sie noch einen Moment länger forschend an, dann gewann der Tratsch den Kampf gegen den Argwohn. »Ist das zu glauben? Man hat sie in einem der Behandlungsräume gefunden. Mit ihren eigenen Litzen gefesselt!«
»Das ist ja furchtbar. Sind wir hier oben auch in Gefahr?«
»Das glaube ich nicht. Kione bewacht die Tür.« Lanelle trat einen Schritt auf die Tür zu - und auf mich. Meine Finger zuckten. Beinahe in Reichweite.
Klong!
Klirrendes Pynvium. Der Beutel!
»Was ist das?«
»Das, äh ...«
Lanelle ging in die Knie und öffnete den Beutel. Dann zuckte sie zurück, als wäre etwas mit Zähnen herausgesprungen. »Da drin ist Pynvium!«
»Wirklich?«
Nicht einmal ich nahm Tali ihren unschuldigen Ton ab.
Die Tür wurde aufgerissen, und Schritte donnerten herein. Mehrere Leute in Stiefeln, was bedeutete, dass es sich um Wachmänner handeln musste. Lanelle richtete sich unsicher und mit blassem Gesicht auf. Tali war so weiß wie ihr Unterkleid.
»Guten Morgen, Mädchen«, sagte ein Mann mit einer weichen, aber befehlsgewohnten Stimme. Sie klang beinahe freundlich, bis man genau hinhörte - dann nahm man
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